Schockierende Details zur Explosion in Ratingen: Einsatzkräfte liefen brennend durchs Treppenhaus
Nach der Explosion in Ratingen sind immer noch einige Fragen offen. Darunter das Motiv des Verdächtigen. Umso schockierender sind viele Details zum Einsatz.
Ratingen – Der mutmaßliche Mordanschlag auf mehrere Einsatzkräfte von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienst in Ratingen war am Montag Thema im Innenausschuss des NRW-Landtags. In einer Sondersitzung ging es um die Explosion in dem Hochhaus und die Hintergründe. Das Motiv des 57 Jahre alten Verdächtigen gibt weiterhin Rätsel auf. Grausam und schockierend sind viele Details, die inzwischen über den tragischen Einsatz bekannt geworden sind.
Ratingen-Explosion: „Bis in die Tiefen meines Polizeiherzens erschüttert“
35 Menschen wurden dort am 11. Mai verletzt. Eine Polizistin, ein Polizist und ein Feuerwehrmann schweben noch immer in Lebensgefahr, sagte NRW-Innenminister Herbert Reul am Montag (22. Mai) in der Sondersitzung. Sie gehörten zu den Einsatzkräften, die bei dem 57-Jährigen an der Tür standen. Sie wurden wegen eines überquellenden Briefkastens und Verwesungsgeruchs unter dem Stichwort „hilflose Person“ gerufen.
Als sie die Tür zur Wohnung öffneten, soll der 57-Jährige hinter einer Barrikade aus Wasserkästen gestanden, die Einsatzkräfte mit Benzin übergossen und angezündet haben. Danach kam es zu einer Explosion. Die schwer verletzten Einsatzkräfte seien danach brennend zehn Stockwerke hinab auf die Straße gelaufen. Es wurde sofort Großalarm ausgelöst, hieß es am Montag im Landtag.
„Das nochmal in allen Einzelheiten zu hören – das hat mich bis in die Tiefen meines Polizeiherzens erschüttert“, sagte Michael Mertens, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), auf Nachfrage gegenüber 24RHEIN. Mertens war am Montag im Innenausschuss anwesend.

Dutzende Einsatzkräfte verletzt: „Mit so einer Grausamkeit kann man nicht rechnen“
Der 57-jährige Tatverdächtige wurde noch am 11. Mai von Spezialeinheiten der Polizei in seiner Wohnung festgenommen. Er sitzt weiterhin in Untersuchungshaft. Gegen ihn wird wegen versuchten Mordes in neun Fällen ermittelt. Nach dem Vorfall in Ratingen wurde bekannt, dass gegen den Mann ein Haftbefehl wegen Körperverletzung vorlag. Aber laut Reul sei das ein sogenannter Vollstreckungshaftbefehl wegen einer nicht gezahlten Geldstrafe gewesen. Das sei für die Polizei „tägliches Brot“, so der NRW-Innenminister.
Am 12. Mai, also nur einen Tag nach der Explosion, war eigentlich ein weiterer Termin angesetzt gewesen, um den Haftbefehl zu vollstrecken. Weil dem Haftbefehl nur einfache Körperverletzungsdelikte wie Ohrfeigen zugrunde lagen, sei der Ratinger in der Polizeidatenbank „Inpol“ gemäß den bundesweit einheitlichen Kriterien nicht als Gewalttäter geführt worden. Den Einsatzkräften vor Ort sei kein Vorwurf zu machen, sagte Mertens am Montag. „Sie haben alles getan, was man tun konnte. Mit so einer Grausamkeit kann man nicht rechnen“, so der GdP-Landesvorsitzende.
Was über die Explosion am 11. Mai in Ratingen bekannt ist
Am 11. Mai wurde die Polizei von einem Hausmeister in den 10. Stock eines Hochhauses in Ratingen gerufen: Aus einer Wohnung habe man Verwesungsgeruch entnommen, ein Briefkasten quoll über. Die Anwohnerin galt als vermisst.
Die Polizei kam mit Feuerwehr- und Rettungskräften. Als die Einsatzkräfte versuchten, die Wohnung zu öffnen, stellten sie fest, dass diese verbarrikadiert war. Als die Feuerwehr die Wohnungstür aufbracht, soll ein Mann die Einsatzkräfte mit Benzin übergossen und angezündet haben. Danach kam es zu einer Explosion.
35 Menschen wurden verletzt, drei schweben derzeit noch in Lebensgefahr, fünf weitere müssen noch immer im Krankenhaus behandelt werden.
In der Wohnung wurde eine zum Teil bereits skelettierte Leiche in einem Rollstuhl gefunden. Dabei handelt es sich wahrscheinlich um die Mutter der mutmaßlichen Tatverdächtigen, einem 57-jährigen Mann aus Ratingen. Sie soll schon mehrere Wochen tot gewesen sein. Laut aktuellem Kenntnisstand starb sie eines natürlichen Todes.
Der Mann gehört mutmaßlich der Prepper-Szene an. Außerdem wurden bei ihm Hinweise darauf gefunden, dass er Verschwörungsmythen anhängig und Corona-Leugner sowie Impfgegner ist.
Vier Stunden nach Einsatzbeginn konnte der Mann, der leichte Verbrennungen erlitt, festgenommen werden. Ihm wird neunfacher versuchter Mord zur Last gelegt. Er sitzt in Untersuchungshaft.
Leiche in Rollstuhl in der Wohnung des 57-Jährigen in Ratingen entdeckt
In der Wohnung des Mannes fanden Einsatzkräfte am 11. Mai auch die Leiche einer Frau, mutmaßlich der Mutter des 57-Jährigen. Sie soll schon mehrere Wochen tot gewesen sein. Der Leichnam sei bereits teilweise skelettiert gewesen und habe in einem Rollstuhl gesessen, hieß es am Montag in der Sitzung. Die Identifizierung der Leiche dauert immer noch an. Man geht aber davon aus, dass die Frau eines natürlichen Todes gestorben ist.
Das Motiv des 57-Jährigen ist immer noch unklar. „Es gibt darauf noch keine abschließende Antwort“, sagte Reul am Montag. Der mutmaßliche Täter steht im Verdacht, der Coronaleugner- und Prepperszene anzugehören. Laut Reul wisse man aber noch nicht, ob das „handlungsleitend“ war. Es gebe bislang auch keine Hinweise darauf, dass sich der Mann etwa der Reichbürgerszene oder der rechten Szene zuordnen ließe. (bs mit dpa)