Schwierige Versorgungslage

Hilferuf von Bochumer Tafel – Lage an Essensausgaben spitzt sich weiter zu

Die Krise macht auch vor der Bochumer Tafel nicht Halt – die Lage ist sehr ernst. Trotz Inflation und Aufnahmestopp gibt es aber eine gute Nachricht.

Bochum – An den Ausgabestellen der Tafel Bochum-Wattenscheid wird die Lage immer prekärer. Ein übel schmeckender Cocktail aus Energiekrise, Inflation und Personalmangel sorgt aktuell für Sorgenfalten – sowohl bei den Mitarbeitern als auch den Hilfsbedürftigen. Stefan Schulze, erster Vorsitzender der Bochumer Tafel, hat mit RUHR24 über die Situation gesprochen – schnell wird deutlich: Die Lage ist sehr ernst.

Tafel in Bochum musste mehrfach schon Aufnahmestopps verhängen – „Menschlich ganz schwierig“

Beim Blick auf die täglich herein flatternden Anfragen für weitere Registrierungen an den Essensausgaben der Bochumer Tafel müssen Stefan Schulze und sein Team wohl jedes Mal tief durchatmen. Die Tafel in Bochum hat bereits mehrfach Aufnahmestopps verhängen müssen – das hat mehrere Gründe (mehr News auf Bochum auf RUHR24).

„Menschlich ist das ganz schwierig, wir erhalten immer noch viele Anfragen“, erklärt Schulze mit einem Seufzen. Allerdings habe man keine Wahl gehabt, zu schwer wiegen die aktuellen Begleitumstände in der Krise. Gegenüber der WAZ schätzte er jüngst, dass die neu angekommenen Flüchtlinge aus der Ukraine noch einmal etwa die Hälfte der bisherigen Anfragen bedeuteten.

Die meisten Tafeln im Ruhrgebiet hätten bereits derartige Aufnahmestopps verhängen müssen. Allein in Dortmund stehen rund 500 Menschen auf einer Warteliste der Tafel. „Wir dachten nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs selbst, dass wir den Stopp schnell wieder aufheben können“, sagt Schulze weiter. Doch der aktuell geltende Stopp wurde bereits vor schätzungsweise zwei Monaten eingeführt – für das Tafel-Personal und insbesondere seine Kunden eine schwierige Zeit.

Inflation und Energiekrise trifft Bochumer Tafel hart – Viele sind „frustriert und traurig“

„Früher konnten die Leute noch mit dem übrig gebliebenen Geld ins Kino, jetzt müssen alle ihr Geld zusammenhalten“, so Schulze weiter. Die meisten Leute, die zur Bochumer Tafel kommen, kämen mit den geringen Mengen auch irgendwie klar. Immerhin habe der Aufnahmestopp schnell zu einer Solidarisierung mit anderen Hilfsbedürftigen geführt.

„Viele Leute bitten um ein Ende des Aufnahmestopps und sind dafür auch bereits, die Lebensmittel mit andere zu teilen“, erklärt die Vorsitzende der Bochumer Tafel gerührt. Insgesamt seien die Reaktionen auf den Aufnahmestopp aber sehr unterschiedlich. „Die meisten Leute sind sehr frustriert und traurig, die wenigsten hingegen verärgert“.

Energiekrise verschlechtert wirtschaftliche Lage an Bochumer Tafel – Einzelhandel wirft weniger ab

Hinzu kommt die schwierige Lage rund um die landesweite Energieversorgung. „Die Energiekrise trifft uns natürlich auch und wird uns auch noch treffen“, erklärt Schulze. „Wir können nicht wirtschaften wie gewohnt und müssen unser Geld irgendwie zusammenhalten“. Auch die Inflation sorge dafür, dass mehr Kunden zur Bochumer Tafel kämen, schließlich sind die Kühlschränke angesichts der explodierenden Preise vielerorts schneller leer.

Dass es an den zentralen Ausgabestellen an der Wattenscheider Laubenstraße und der Bochumer Bergmannstraße aktuell insgesamt weniger und nur noch für bereits registrierte Kunden Lebensmittel gibt, habe vor allem einen Grund: Die Supermärkte und Discounter stellen momentan immer geringere Mengen zur Verfügung, erklärt Stefan Schulze sicher.

Bekanntermaßen steigen die Preise in zahlreichen Geschäften an, die Konsumstimmung sinkt. Reduzierte Produkte vom Vortag sind für Kunden, die immer mehr aufs Geld schauen müssen, attraktiv. Sie landen immer seltener bei der Bochumer Tafel und damit nicht bei den Hilfsbedürftigen.

Tafel in Bochum richtet Appell an Einzelhandel – Ende des Aufnahmestopps noch nicht in Sicht

Angesichts dieses Teufelskreises wisse Stefan Schulze nicht, wann er mit seinem Team den Aufnahmestopp beenden kann. „Momentan sehe ich da kein Land. (...) die Lebensmitteleinzelhändler und Speditionen kalkulieren schärfer, für uns bleibt dadurch weniger übrig. Wir können nichts weiter tun, als zu appellieren, dass weniger weggeschmissen wird.“

Für den Handel sei es zudem grundsätzlich einfacher, ältere, aber noch gute Lebensmittel wegzuschmeißen, als sie zu spenden. Das habe mit den Personalkosten zu tun, erklärt Stefan Schulze. Das Essen werde dadurch immer knapper.

Personalmangel bringt Bochumer Tafel an Kapazitätsgrenze – Vorsitzender sieht Ampel-Maßnahmen kritisch

Stichwort Personal: Das ist auch bei der Bochumer Tafel nicht im Übermaß vorhanden. „Selbst wenn wir mehr Lebensmittel vom Handel bekommen, dann brauchen wir mehr Geld, um zusätzliches Personal bezahlen zu können“, erklärt Schulze. Zwar bekämen alle Registrierten selbstverständlich weiter ihre Lebensmittel, doch mit Blick auf das Personal sei man „deutlich an der Kapazitätsgrenze“.

Stefan Schulzes Blick in die Zukunft ist wenig überraschend alles andere als optimistisch. Die von der Bundesregierung geplanten Veränderungen beim Bürgergeld oder zur Strompreisbremse würden die Situation für zahlreiche Hilfsbedürftige aus seiner Sicht nur „marginal verbessern“. Die Maßnahmen würden „nicht wirklich spürbar“ sein, die „beschlossenen Zahlen reichen nicht“. Letztendlich sei das „keine Erhöhung, mit der man echte Probleme lösen kann“, ist sich Stefan Schulze sicher.

An vielen Tafeln, nicht nur im Ruhrgebiet, steigt in den aktuellen Krisenzeiten die Zahl der Hilfsbedürftigen.

Kindertafel- und Weihnachtspäckchen-Aktion an Bochumer Tafel fällt 2022 aus

Laut Stefan Schulze könne man jeden Montag und Donnerstag an den Hauptausgabestellen sehen, wie prekär die Situation für der Bochumer Tafel aktuell ist. Zahllose lange Mienen in noch längeren Schlangen seien hier Alltag. Zu allem Überfluss muss in diesem Jahr auch noch die Kindertafel- und die Weihnachtspäckchen-Aktion ausfallen – Lebensmittel-Spenden werden einfach dringender benötigt, berichtet auch die WAZ.

Immerhin findet in diesem Jahr eine Wunschbaum-Aktion statt, an der sich Konzerne wie die Funke-Mediengruppe, Toom oder auch die Sparkasse beteiligen. Bedürftige dürfen dabei ihre Wünsche auf Zettel schreiben, diese werden von der Tafel dann an extra aufgestellte Bäume gehängt.

Wunschbaum-Aktion soll Kunden der Bochumer Tafel schöne Weihnachten ermöglichen

Wer anderen den Wunsch erfüllen will, kann sich so einen Zettel abholen und das Geschenk besorgen. Diese werden dann an den Ausgabestellen in der Woche vor Weihnachten an die entsprechenden Leute mithilfe eines Nummernsystems verteilt. So hält trotz der aktuell schwierigen Zeiten ein weihnachtlicher Geist in die Bochumer Tafel Einzug.

Rubriklistenbild: © Frank Hoermann/Sven Simon/Imago

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