Polizei Essen reagiert auf Vorwürfe nach Rassismus-Vorfall: „Als Ruhestörung bewertet“
Vor der Sportsbar 300 in Essen sollen Jugendliche Opfer rechtsextremistischer Anfeindungen geworden sein. Der Landesjugendring NRW wirft der Polizei „Versagen“ vor.
Essen – Was ist im Juni 2022 an der Sportsbar 300 in Essen passiert? Die Schilderungen der Polizei Essen und des Landesjugendring NRW gehen weit auseinander. Der Landesjugendring spricht von rechtsextremistischen Anfeindungen und „extremer Angst“, die Polizei Essen von „Ruhestörung“.
Landesjugendring NRW | Arbeitsgemeinschaft von 25 Jugendverbänden in NRW |
Vorwurf | Polizeiversagen bei rechtsextremistischen Anfeindungen |
Datum der Ereignisse | 11. und 12. Juni |
Ort | Sportbar 300, Essen-Steele |
Vorwurf an die Polizei Essen: Keine Reaktion auf Notruf
In einem offenen Brief hat sich der Landesjugendring NRW am 25. Juli an den Innenminister des Landes NRW, Herbert Reul, und den Oberbürgermeister der Stadt Essen, Thomas Kufen, gewandt. In dem Schreiben beschreibt die Organisation, wie sie in Essen bei einem ihrer Treffen von Rechtsextremen bedrängt wurden. Sie werfen der Polizei Essen vor, nicht geholfen zu haben.
Die Seminargruppe hat sich in Essen-Steele im Tagungshaus GREND gegenüber der Sportsbar 300 mit 20 Personen, darunter Jugendliche, für ein Seminar getroffen. Schon bei der Hausführung hätte man sie gewarnt, dass die gegenüberliegende Bar ein Treffpunkt von „Rechtsextremen, Hooligans und Nazis“ sei.
Rechtsextremistische Parolen vor Sportbar in Essen
Am späten Samstagabend (11. Juni) sollen Mitglieder der Gruppe dann Opfer rechtsextremistische Anfeindungen geworden sein. Die Bar war laut Brief des Landesjugendrings gut besucht und 50 Menschen hätten sich davor versammelt. Sie sollen rechtsextremistische Parolen gerufen haben. Sprüche wie „Hitler und SS zurück!“, „Ausländer raus!“ und „Jetzt töten!“ seien gefallen.
Seminarteilnehmende im Aufenthaltsraum des gegenüberliegenden Gebäudes hätten versucht, das zu filmen. Dabei seien sie entdeckt worden. Laut Landesjugendring hätten sie die Menschen auf der Straße dann „massiv beschimpft und mit Drohgebärden wie einer hoch gehaltenen Messerklinge [...] bedroht“. Für den Kontext ist es wichtig zu wissen, dass einige der Beschimpften bereits Rassismuserfahrungen gemacht haben.

Rassismus-Vorwürfe in Essen: Seminargruppe mit Messer bedroht
Die Betroffenen haben über den Notruf die Polizei informiert, die mehrere Streifenwagen angekündigt haben sollen. Gut zwei Stunden später, um vier Uhr nachts, soll laut Aussage der Polizei Essen ein Streifenwagen vor Ort gewesen sein. Die Seminargruppe bestreitet das und spricht von „Polizeiversagen“ (mehr News aus NRW bei RUHR24).
Die Polizei sei nicht aufgetaucht und die Rechtsextremen hätten weiter die Straße bevölkert und menschenverachtende Parolen skandiert. Einige Betroffene hätten große Angst gehabt.
Rassismus-Vorfall in Essen: Reaktion der Polizei auf die Vorwürfe
Die Polizei Essen reagiert am 28. Juli mit einer Stellungnahme auf die Vorwürfe. Sie schildern das Geschehen der Nacht aus ihrer Sicht so: Am Sonntag (12. Juni) um 1:45 Uhr sei bei ihnen ein Anruf aus dem Kulturzentrum eingegangen, der sie über „rechtsextreme Ausrufe aus einer Menschengruppe vor der Sportsbar 300“ informiert habe. Anlass zum schnellen Handeln hat die Polizei darin anscheinend nicht gesehen.
Weiter heißt es: „Es lagen zu diesem Zeitpunkt keine Hinweise auf eine Bedrohung vor. Der Einsatz wurde von der Polizei als Ruhestörung bewertet.“ Um 3:59 Uhr sei man mit einem Streifenwagen vor Ort gewesen, um die Menschen zu ermahnen, leiser zu sein. Hinweise auf rechtsextreme Ausrufe habe es keine gegeben.
Polizei Essen leitet Ermittlungen wegen Vorwürfen des Landesjugendrings ein
Wieso es so lange gedauert hat, bis die Polizei vor Ort gewesen ist, soll jetzt untersucht werden. Die Vorwürfe nehme das Polizeipräsidium Essen sehr ernst. Auch ohne Strafanzeige vom Landesjugendring ermittelt die Polizei Essen jetzt. Es gäbe den Verdacht einer Straftat nach Paragraf 86a StGb, erklärt die Pressestelle gegenüber RUHR24.
Dabei geht es um das „Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen“. Dazu gehören auch Parolen. In Dortmund wurden Ende Mai fünf Rechtsextremisten wegen rassistischer, antisemitischer Parolen zu Geldstrafen bis zu 10.000 Euro verurteilt.