Deutlich mehr Fälle von Kinderpornografie in NRW - Aufklärungsquote steigt ebenfalls

Die Zahl der sexuellen und gewalttätigen Übergriffe auf Kinder hat in NRW stark zugenommen. Das Innenministerium nennt dafür einen wichtigen Grund.
- In NRW werden immer mehr Fälle von Kinderpornografie und Kindesmissbrauch bekannt.
- Die Polizei hat derweil ihre Ermittlungen intensiviert.
- Das zeigt laut Innenministerium schon erste Erfolge.
NRW - Mehrere große Fälle von Kinderpornografie und Kindesmissbrauch haben in den vergangenen Jahren Nordrhein-Westfalen und die ganze Bundesrepublik erschüttert. Seitdem ist die Thematik verstärkt in die öffentliche Wahrnehmung gerückt. Nun zeigt sich: Die Zahl der bekanntgewordenen Straftaten aus diesem Bereich ist gestiegen.
NRW-Innenminister Reul: Mehr Kinderpornografie und Kindesmissbrauch
Das erklärte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) im Gespräch mit dem Westfalen-Blatt. Demnach liegen den Landesbehörden für das Jahr 2019 Erkenntnisse über 2.805 Fälle von Kindesmissbrauch vor. Das Entspricht einem Zuwachs von 15,8 Prozent - 2018 waren es noch 2.422 Fälle gewesen.
Noch extremer war der Anstieg bei Erwerb, Besitz und Verbreitung von Kinderpornografie. 67,1 Prozent mehr Fälle als noch im Vorjahr wurden 2019 bekannt. Insgesamt waren es 2.359 (2018: 1.411). Wichtig ist: Die Zahlen beziffern nur die angezeigten beziehungsweise von den Behörden ermittelten Fälle. Die Dunkelziffer dürfte noch höher liegen.
Kinderpornografie: Mehr Anzeigen bedeutet nicht zwingend mehr Straftaten
Dass die Zahlen so stark steigen, liegt nicht unbedingt daran, dass es auch zu mehr Straftaten kommt. Das Innenministerium vermutet einen anderen Grund: "Dass es 2019 deutlich mehr Anzeigen beim Kindesmissbrauch gab, mag auch daran liegen, dass der Fall Lügde viele Menschen sensibilisiert hat, die heute eher mit einem Verdacht zur Polizei gehen", sagte ein Sprecher dem Westfalen-Blatt.
In Lügde (bei Bielefeld) hatten mehrere Männer über Jahre hinweg Kinder missbraucht und davon Aufnahmen angefertigt und verbreitet. 2018 wurde der Fall bekannt, 2019 verurteilte das Landgericht Detmold den Haupttäter zu 13 Jahren Haft. Ein Mittäter muss für voraussichtlich zwölf Jahre ins Gefängnis. Für beide wurde zudem eine anschließende Sicherheitsverwahrung angeordnet.
Video: Lange Haftstrafen im Fall Lügde
Kinderpornografie in Lügde: Versäumnisse bei Polizei und Jugendamt
Besonderes Aufsehen hatte er Fall erregt, weil im Lauf der Ermittlungen schwere Versäumnisse von Polizei und Jugendämtern bekannt wurden. Bereits Jahre vor der Festnahme des Haupttäters hatte es Hinweise auf dessen Straftaten gegeben.
Solchen Hinweisen wird heute mit mehr Nachdruck nachgegangen. Seit 2019 hat die Polizei laut Innenministerium die Ermittlungen im Bereich sexueller Missbrauch von Kindern intensiviert und sucht bei bekannten Fällen vermehrt nach Querverbindungen zu anderen sogenannten "Pädokriminellen".
NRW-Behörden erhalten mehr Hinweise aus den USA
Zudem erhalten die Ermittlungsbehörden verstärkt Hinweise aus den USA. Dort müssen Internet- und Email-Anbieter Inhalte automatisch auf Kinderpornografie überprüfen. Dadurch ergeben sich auch Hinweise auf Täter in Deutschland, die an die Behörden hierzulande weitergeleitet werden. Das trägt ebenfalls zu den erhöhten Zahlen bei.
Doch es gibt auch eine positive Nachricht. Denn auch die Aufklärungsquote steigt - sowohl bei Fällen von Kindesmissbrauch als auch bei Kinderpornografie. Mittlerweile liegt sie bei 83,7 (2018: 82,1) beziehungsweise bei 93,2 (2018: 91,3) Prozent. Zum 1. September 2020 tritt zudem eine Neuerung in NRW in Kraft: Von da an haben Fälle von sexueller Kindesmisshandlung eine andere Gewichtung. In NRW sind dann die Kriminalhauptstellen für sie zuständig.