Rettungseinsätze

Gaffer: Warum Menschen Fotos von Schwerverletzten machen

Es passiert ein Unfall, Menschen schauen hin und machen Fotos. Immer wieder passiert das, auch in Dortmund. Aber warum werden wir zu Gaffern?

Dortmund – Auf der A1 bei Dortmund waren im Mai 2022 drei Lastwagen ineinander gefahren. Ein Mann war lebensgefährlich verletzt in seinem Führerhaus eingeklemmt. Ein langer Stau hatte sich gebildet. Die Polizei musste anschließend Verfahren gegen 34 dreiste Gaffer einleiten, die den Unfall gefilmt hatten. Wieso machen Menschen sowas?

Phänomen „Gaffen“: Deshalb schauen wir bei Unfällen hin und helfen nicht sofort

Viele Menschen gucken hin, wenn etwas Furchtbares passiert. Das liegt an unserem natürlichen Verhalten. Wenn andere es vormachen, wird dieser sogenannte Zuschauer-Effekt sogar verstärkt. „Alle Säugetiere und auch wir haben eine grundlegende Neugier und das ist Voraussetzung und Antrieb des Lernens“, so Diplom-Psychologin und Kriminologin Dr. Ursula Gasch gegenüber Quarks.

„Wir alle sind neugierig und damit schaulustig. Das ist angeboren“, sagt auch der Berliner Verkehrspsychologe Haiko Ackermann gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Menschen sind also stets offen für Ereignisse. Passanten versuchen zu verstehen, was passiert ist, um nicht womöglich selbst irgendwann in diese Situation zu gelangen.

Zudem wollen wir uns selbst schützen. Instinktiv wird erforscht, ob für uns selbst Gefahr droht. Doch Gaffer handeln im ersten Moment nicht nur egoistisch. Als Herdentier unterliegen wir Menschen automatisch dem Impuls zu schauen, ob jemand Hilfe braucht, wie Quarks berichtet (mehr News aus NRW bei RUHR24).

Polizei Dortmund hat deutliche Meinung zu Gaffern: „Sorgt für weitere Staus und Unfälle“

Ist die Lage abgecheckt, kehrt der menschliche Körper in eine Art Funktionsmodus zurück. Kann nicht geholfen werden, wäre nun Zeit zu gehen. Aber genau das machen nicht alle Menschen. Hier sprechen Experten dann offiziell von Gaffern. Es kommt allerdings auf den Kontext an. Vor dem Fernseher schauen wir schließlich alle hin, wenn Bilder von einem Erdbeben gezeigt werden und das scheint gesellschaftlich völlig okay.

Das Gaffen an einem Unfallort ist nicht nur unmoralisch, es kann Rettungskräfte auch vor ernsthafte Probleme stellen. So verstellen Gaffer den Weg für Sanitäter und blockieren Rettungsgassen. „Das sorgt oft für weitere Unfälle und Staus. Der nächste Stau hat wieder ein Stauende, und die sind immer gefährlich“, sagte die Polizei Dortmund nach dem Lkw-Unfall damals gegenüber RUHR24.

Gaffen kann tödlich enden und ist eine Straftat.

Im schlimmsten Fall kommt wegen den Gaffern Hilfe zu spät am Unfallort an. Fotos vom Ereignis können außerdem ungefiltert ins Netz gelangen und Opfern sowie Angehörigen schaden. Dabei passieren nicht alle Aufnahmen geplant.

Gaffen am Unfallort: Ab hier ist es eine Straftat, die sogar im Gefängnis enden kann

Auch zufällige Bilder von einem Unfall können plötzlich viel Aufmerksamkeit bekommen und ihren Schöpfer auf eine Bühne heben. Verkehrspsychologe Haiko Ackermann meint gegenüber der Süddeutschen Zeitung: „Die Medien vermitteln uns doch jeden Tag: Du darfst vom Sofa aus gaffen, je mehr du hinschaust, desto besser bist du informiert.“

So spielen Schaulustige selbst Reporter und fühlen sich laut Experten durch den Blick in die Kamera mental von dem Ereignis entkoppelt. Einige holen sich vor Ort eine Portion Adrenalin ab und finden Bestätigung im Netz. Dabei ist Gaffen eine Straftat. Wer nur zu einem Unfallort kommt, um sich mal umzugucken, riskiert sogar eine Gefängnisstrafe von mehreren Jahren.

Dabei kommt es auf die Schwere der Tat an. Wer sich nicht vom Unfallort entfernt, obwohl er mehrfach dazu aufgefordert wurde, muss mit einer Geldstrafe von bis zu 1000 Euro rechnen. Wer Bilder oder Videos von der Unfallstelle macht, begeht dagegen eine echte Straftat. Rettungskräfte können die Handys noch vor Ort einkassieren. Auch eine unterlassene Hilfeleistung kann ein Jahr Gefängnis bedeuten.

Statt Gaffen: Das können Ersthelfer am Unfallort tun – ADAC gibt wertvolle Tipps

Viele Menschen helfen nicht selbst. Das sorgt mitunter für skurrile Situationen, in denen eine Gruppe Menschen um ein Opfer herum steht, aber nichts unternimmt. Helfen kann es, wenn jemand vor Ort die Leitung übernimmt und den einzelnen Passanten Aufgaben zu teilt oder sie einfach wegschickt.

Gaffen ist nicht nur unmoralisch, sondern auch eine Straftat.

Um Leuten, die zufällig an einem Unfallort zugegen sind, Hilfestellung zu geben, hat der ADAC eine Merkliste erstellt. Demnach ergibt es Sinn, zuerst sich selbst und den Unfallort abzusichern, damit nicht noch mehr passieren kann. Noch davor oder direkt danach sollte der Notruf abgesetzt werden. Die Experten am Telefon können auch weitere Erste-Hilfe-Maßnahmen anleiten.

Rubriklistenbild: © Juergen Blume/Imago

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