Verblüffender Gentest
Evonik will NRW-Fleischessern bald besseres Gewissen machen
Kann man am Fleisch erkennen, wie ein Tier gehalten wurde? Laut Forschern des Chemiekonzerns Evonik soll das ein neuer Test ermöglichen. Doch wie geht das?
Marl – Stallhaltung, Außenklima oder doch Freiland: Hühner werden in Deutschland auf zahlreiche Arten gehalten. Vielen Menschen ist das Tierwohl beim Kauf wichtig. Doch woher soll der Kunde wissen, ob auch drin ist, was auf der Packung steht? Ein neuer Test der Evonik in Marl im Ruhrgebiet soll künftig Klarheit schaffen.
Konzern: | Evonik Industries |
Hauptsitz: | Essen, NRW |
Entwicklung: | Gen-Test für Hühnerfleisch |
Evonik entwickelt Gen-Test, der das Tierwohl von Hühnern an deren Fleisch ablesen kann
2013 entwickelte der in Frankfurt geborene Genetiker Steve Horvath (55) einen Test, mit dem sich das biologische Alter eines Menschen bestimmen lässt. Dabei geben typische Veränderungen in den Genen Hinweise darauf, unter welchen Umständen er bislang gelebt hat.
Das biologische Alter eines Menschen kann sich vom tatsächlichen Alter im Ausweis unterscheiden. Denn Ernährung, Stress und andere Umwelteinflüsse verändern auch das Erbgut eines Menschen im Laufe des Lebens unterschiedlich schnell. Dabei hinterlassen bestimmte Alterungsprozesse ganz spezifische Modifikationen: Anhand der sogenannten DNA-Methylierung lässt sich auf rund 3,7 Jahre genau das biologische Alter eines Menschen berechnen.
Diese Methode machen sich die Forscher aus dem Labor der Creavis in Marl jetzt auch bei Tieren zunutze. Sie wollen herausfinden, wie gut oder schlecht ein Huhn bei seiner Aufzucht gehalten und gefüttert wurde. Daraus lassen sich verblüffende Schlüsse ziehen, wie der Chemiekonzern Evonik am Donnerstag (15. September) mitteilt.
Test für Hühnerfleisch der Evonik liefert Hinweise auf Haltung und Ernährung von Hühnern
Der Test soll vor allem Hinweise auf das Tierwohl liefern. Denn auch bei Tieren hinterlassen Umwelteinflüsse Spuren im Genom, erklärt Dr. Walter Pfefferle, leitender Biologe der Forschungseinheit der Creavis, in einer Pressemitteilung. Doch nicht nur das biologische Alter der Hühnchen lässt sich so feststellen.
Je nach Muster können neben der Gesundheit der Hühner noch weitere Einflüsse unterschieden werden:
- Haltungsform
- Einsatz von Antibiotika
- Einsatz von Medikamenten
- Herkunft der Tiere
- Art der Schlachtung
Grundlage für diesen Test ist die Epigenetik, eine noch recht junge Disziplin der Biologie. Sie befasst sich unter anderem damit, wann Gene abgelesen werden, wie sie sich dabei verändern und warum der Körper überhaupt altert.
Fleischproduzenten und Einzelhändler sollen den Epigenetik-Test der Evonik nutzen können
Pfefferle sieht in dem Test eine echte Chance, das Tierwohl künftig greifbarer zu machen: „Unsere Technologie eröffnet einen völlig neuen Blick auf die Geflügelaufzucht. Wir lassen das Huhn seine Geschichte erzählen.“
Die Evonik plant, den Test schon bald für Landwirte und Einzelhändler anzubieten. Supermärkte könnten damit schnell überprüfen, ob das Fleisch eines Huhns wirklich aus der versprochenen Freilandhaltung stammt – oder doch in einem Massenbetrieb unter Antibiotika großgezogen wurde.
Gen-Test für Hähnchenfleisch soll Vertrauen der Kunden stärken
Entwickelt wurde der Test von der Evonik-Forschungsgruppe der Creavis in Marl zusammen mit dem Abteilung Epigenetik im Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg. Künstliche Intelligenz und Algorithmen interpretieren Muster im Erbgut der Tiere und geben Hinweise darauf, was ein Huhn schon alles erlebt hat.
Obwohl dazu große Datenmengen verarbeitet werden müssen, soll ein Analysesystem von Illumina künftig schnelle Ergebnisse liefern. Derzeit werde die Methode in einem Labor in Singapur erprobt, teilt der Chemiekonzern mit Sitz in Essen mit (alle News aus NRW auf RUHR24 lesen).
Die neue Technologie soll bald auch den Kunden im Supermarkt zugutekommen. Sie sollen künftig sicher wissen, welches Fleisch auf ihrem Teller landet.
Rubriklistenbild: © Ingo Wagner/dpa