Kommentar
Neue Corona-Regeln in NRW treffen schon wieder die Falschen
Strengere Corona-Regeln gelten seit Donnerstag in NRW. Doch leider treffen die Maßnahmen erneut die Falschen, findet RUHR24-Redakteur Florian Forth.
NRW – Verbote für Ungeimpfte, mehr Tests für Genesene, Erleichterungen für Geboosterte: Neben nach Impfstatus gestaffelten Regeln sind auch neue Kontaktbeschränkungen wieder Teil der aktuellen Coronaschutzverordnung in Nordrhein-Westfalen. Dennoch senden die Maßnahmen das falsche Signal.
Bundesland | Nordrhein-Westfalen |
Maßnahme | Coronaschutzverordnung |
Ministerpräsident | Hendrik Wüst (CDU) |
Corona-Maßnahmen in NRW: Testpflicht und Erleichterungen senden falsches Signal
Die neue Coronaschutzverordnung in Nordrhein-Westfalen soll gewissermaßen die Quadratur des Kreises schaffen: sinkende Infektionszahlen und gleichzeitig mehr Freiheit für einige. Es wäre ein Wunder, käme das Coronavirus diesem Wunsch der NRW-Landesregierung nach. Wenn uns die Pandemie bislang etwas gelehrt hat, dann war es: Man kann nur eins davon haben.
Viel bitterer noch: Mit den neuen Regeln geraten erneut die Falschen unter massiven Druck: Schulen, Restaurants, Krankenhäuser.
Corona-Regeln in NRW setzen Restaurants und Krankenhäuser wieder unter Druck
Denn so hoch wie jetzt war die Inzidenz noch nie in der Pandemie. Ob das Ende der Fahnenstange überhaupt schon in Sicht ist, bleibt abzuwarten. Wissenschaftler hatten lange vor "einer Wand" gewarnt – und hier ist sie. Nur weil die Impfungen auch gegen Omikron wirken, landen automatisch weniger Menschen auf den Intensivstationen des Landes. Ins Krankenhaus müssen dennoch zahlreiche Bürger. Das müde Klinikpersonal wird erneut unnötig strapaziert, sofern es nicht bereits gekündigt hat.
Für die Restaurants in NRW bedeutet 2G-Plus erneut Umsatzeinbrüche. Denn für Gäste ist die Testpflicht eine Hürde, die viele nicht nehmen wollen. Und geboostert und damit von der Testpflicht befreit sind in NRW derzeit erst 47,6 Prozent der 17,9 Millionen Einwohner. Kein Wunder, dass der Gaststättenverband „Dehoga“ von einem „Desaster“ spricht.
Land | Impfpflicht | Strafe |
Frankreich | September 2021 | Freistellung ohne Gehalt |
Österreich | 1. Februar 2022 | Bußgeld bis 7.200 Euro |
Belgien | April 2022 (nur Pflegepersonal) | Suspendierung vom Dienst |
Deutschland | 15. März 2022 (nur Pflegepersonal) | Zutrittsverbot |
Corona in NRW: Impfschutz wird von der Politik mit Freiheits-Bonus belohnt
Auch in den Schulen werden jetzt alle öfter getestet. Ein Blick auf die Inzidenz unter den Schülern zeigt erneut: Das verhindert keine Ansteckungen mit dem Virus, es deckt sie nur auf. Sofern die Testergebnisse überhaupt pünktlich zurückkommen. Auch hier trifft es die falschen: In Hagen sitzt eine vorerkrankte Schülerin bereits aus Protest auf dem Pausenhof, weil sie nicht zusammen mit ungeimpften Mitschülern im Unterricht sitzen möchte. Wer kann es ihr verdenken?
Für mich am wenigsten verständlich: Dass Geboosterte von der Testpflicht ausgenommen sind. Natürlich will die Politik hier die Impfquote aufpolieren und belohnt daher vollen Impfschutz mit einem Freiheits-Bonus. Schön gedacht, bloß wird das dem aktuell gesetzten Ziel nicht wirklich gerecht: „Menschenleben schützen“, „das Land am Laufen halten“. Genau das hatte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in seiner Neujahrsansprache noch angekündigt.
Denn Geboosterte sind ja keineswegs immun gegen das Virus, schon gar nicht gegen einen Impfdurchbruch der Omikron-Variante. Das ist zum einen bitter für alle freiwillig Ungeimpften, die sich der Ansteckungsgefahr schutzlos aussetzen. Fatal kann es hingegen für jene werden, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können oder gar zu einer Risikogruppe gehören. Sie sind darauf angewiesen, dass die Gesellschaft sie schützt. Das gelingt bislang eher schlecht.
Impfpflicht in NRW wird wohl kommen: Was passiert mit den Stutzigen?
Es ist klar, worauf das alles hinauslaufen wird: Über die allgemeine Impfpflicht wird bereits länger diskutiert. Jetzt soll alles plötzlich ganz schnell gehen, dabei ist schon viel Zeit verstrichen. Die Mär der verantwortungsvollen Gesellschaft ist längst auserzählt, eine Herdenimmunität in weiter Ferne. Ein großer Teil der Bürger wird eine verpflichtende Impfung mitgehen, keine Frage. Impfgegner und Corona-Leugner wird man damit kaum erreichen, hätte man vor einem Jahr aber wohl auch nicht.
Die Frage ist: In welche Richtung kippen die zahlreichen Stutzigen, die Unsicheren, wenn man sie zum Impfen drängt? Es wäre zu hoffen, dass sie sich zu einer Impfung bewegen lassen, zum Schutz der schwachen in der Gesellschaft. Für einige wird bis dahin jedoch zu viel Zeit verstrichen, zu viel Vertrauen in die Politik verspielt sein, um noch umdenken zu wollen. Dieser Kommentar entspricht der Meinung des Autors und muss nicht unbedingt die Ansicht der gesamten Redaktion widerspiegeln.
Rubriklistenbild: © Julian Stratenschulte, Rolf Vennenbernd/dpa; Collage: RUHR24