Expertenmeinung

Dortmunder Corona-Experte: Ab dieser Inzidenz wird die Maskenpflicht wieder fällig

Angesichts der neuen Corona-Welle sorgen sich viele Menschen in NRW vor Lockdowns und Schließungen. Doch ein Experte macht Mut – und warnt zugleich.

NRW – Die Corona-Pandemie ist im Alltag zahlreicher Bürger im diesjährigen Herbst wieder präsenter geworden. Das hängt mit den teils auch in NRW steigenden Inzidenzen und mit den seit Oktober geltenden Corona-Schutzmaßnahmen der Bundesregierung zusammen. Ein Experte wagt nun einen Ausblick auf die Situation in den kommenden Wochen und Monaten in NRW sowie Dortmund – und verbreitet Hoffnung.

7-Tage-Inzidenz in Deutschland584 (Stand: 24. Oktober)
7-Tage-Inzidenz in NRW649 (Stand: 24. Oktober)
7-Tage-Inzidenz in Dortmund788 (Stand: 24. Oktober)

Steigende Inzidenzen in NRW und Dortmund – doch Landesregierung verzichtet auf Verschärfungen

Die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen hat sich jüngst dazu entschieden, hierzulande keine strengeren Corona-Regeln einzuführen. Wie NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) erklärte, seien „verbindlich vorzuschreibende schärfere Schutzmaßnahmen (...) derzeit nicht verhältnismäßig“.

Die 7-Tage-Inzidenz ist laut des Pandemieradars des Robert Koch-Instituts (RKI) in den vergangenen Tagen deutschlandweit deutlich zurückgegangen und liegt aktuell bei 584 (Stand: 24. Oktober). In NRW ist sie laut des Landeszentrums Gesundheit hingegen auf 649, in Dortmund nach Angaben der Stadt gar auf 788 angestiegen. Durch die veränderte Corona-Lage richtete Dortmund jüngst eine „ganz dringende Empfehlung“ an die Einwohner.

Herbstzeit ist Virenzeit – doch ein Chefimmunologe der TU-Dortmund kann Bürger beruhigen

In Panik braucht man angesichts dieser Zahlen laut dem Immunologen Prof. Dr. Carsten Watzl allerdings nicht zu verfallen. Der Leiter des Forschungsgebiets Immunologie am Leibnitz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund erklärt gegenüber RUHR24, dass man in diesem Jahr „unter anderen Voraussetzungen in den Winter“ gehe, als in den vergangenen Jahren (mehr Corona-News aus NRW auf RUHR24).

Die Anstiege im Herbst seien saisonal bedingt und Viren wie Atemwegserreger hätten es bei schlechtem, kühlem Wetter einfacher, sich auszubreiten. Das hänge damit zusammen, dass sich die Aerosole länger in der Luft halten und die Abwehrkräfte bei vielen Menschen bei schmuddelig kaltem Wetter verringert seien. So seien mitunter die Schleimhäute schneller ausgetrocknet.

Dortmunder Experte verweist auf höhere Grundimmunität gegen Corona in der Bevölkerung

Das Virus habe sich in den vergangenen Jahren zudem dank der Schutzmaßnahmen wie den Masken und den Mindestabständen schlechter ausbreiten können. Jetzt hingegen könne es auch wieder Menschen treffen, die bereits vor einiger Zeit eine Immunität aufgebaut haben, „aber nach zwei Jahren wieder anfällig“ geworden sind.

Die Corona-Inzidenz liegt laut dem RKI deutschlandweit aktuell bei 584 (Stand 24. Oktober).

Insgesamt sei die Grundimmunität dank der Impfkampagnen und der bereits erfolgten starken Infektionswellen deutlich höher als in den vergangenen Jahren, erklärt Carsten Watzl. Laut dem Bundesgesundheitsministerium sind in Deutschland mittlerweile 76,3 Prozent der Bevölkerung grundimmunisiert. Mindestens 51,8 Millionen Personen (62,3 Prozent) haben demnach eine oder zwei Auffrischungsimpfungen zum Schutz gegen Covid-19 erhalten.

Infektionen mit Corona-Variante BA.5 wahrscheinlich – schwere Krankheitsverläufe wohl selten

„Die Inzidenzen gehen aber natürlich nach oben und jetzt im Herbst werden sich die Leute, die noch keinen Kontakt mit der Corona-Variante BA.5 hatten, infizieren“, erklärt Watzl gegenüber RUHR24. Dank der hohen Immunität der Menschen sei aber nicht von vielen schweren Krankheitsverläufen auszugehen – vorausgesetzt es bleibt bei der Corona-Variante BA5.

Bereits am 27. September erklärte Dortmunds Gesundheitschef Dr. Frank Renken zu einer möglichen Corona-Welle im Herbst: „Die Herbstwelle rollt an und auch Dortmund wird nicht verschont bleiben.“ Unter der Bedingung, dass „keine neue Variante aufkommt“, bestehe „eine hohe Chance, dass die Welle in Dortmund eher mild ausfallen wird“.

Hohe Inzidenzen sorgen für Personalausfälle – Buslinien momentan besonders betroffen

Carsten Watzl teilt diese Einschätzung. Schließlich würden sich die Leute, die sich im schon Sommer mit der Virus-Variante BA.5 infiziert haben, „wohl nicht wieder anstecken“. Da könnte die „Sommerwelle eventuell sogar geholfen haben“, urteilt er.

Prof. Dr. Carsten Watzl kann in der aktuellen Corona-Welle Hoffnung machen.

Die hohen Inzidenzen seien also weniger an der Zahl der Intensivpatienten, sondern vermehrt an Personalausfällen, beispielsweise im öffentlichen Dienst, bemerkbar. Wegen zahlreicher Krankheitsfälle mussten so sogar kürzlich in Dortmund mehrere Buslinien gestrichen werden.

Viren-Experte glaubt nicht an einen neuen Corona-Lockdown – Grippewelle macht aber Sorgen

„Über Lockdowns oder Geschäftsschließungen sind wir hinaus“, erklärt Watzl deshalb. Allerdings mache ihm weniger die Corona-Situation, sondern vielmehr die Grippewelle Sorgen, wie auch die AOK wegen der Corona-Maßnahmen betont. Diese sei „in den vergangenen Jahren nahezu ausgefallen“, sie sei aber vor allem für ältere Personen gefährlich. Auch wenn eine Grippe und eine Corona-Erkrankung eher selten gleichzeitig auftreten, rät der Immunologe zur Grippeschutzimpfung.

Und eine neue Maskenpflicht, wie beispielsweise in Supermärkten? Ungeachtet der Entscheidung der NRW-Landesregierung gegen verschärfte Corona-Schutzmaßnahmen müsse man laut Watzl über eine weitreichendere Maskenpflicht nachdenken, wenn die Inzidenzen „über 1500 bis 2000“ liegen. Das ist in NRW aber bisher noch lange nicht der Fall.

Maskenpflicht laut Immunologen nur bei einem weiteren Anstieg der Inzidenz notwendig

Auch in Betrieben, in denen der Abstand nicht gewährleistet werden kann, könnte eine Maskenpflicht nützlich sein, erklärt der Immunologe. Da die Bewohnerinnen und Bewohner von Pflegeeinrichtungen ohnehin besonders geschützt seien, sollten hier Regeln bei Bedarf „nur vereinzelt verschärft werden“.

Vulnerable Gruppen müsse man zwar „speziell schützen“, dabei dürfe man „aber nicht übers Ziel hinausschießen“. Eine Maskenpflicht für die Bewohner von Pflegeheimen sei nicht nötig, so Watzl weiter.

NRW-Ministerium will Schulen offen halten – Experte unterstützt das Corona-Vorgehen

Und auch zum Vorgehen des NRW-Schulministeriums unter Führung von Dorothee Feller (CDU), die den Präsenzunterricht sichern und keine Maskenpflicht einführen will, hat Carsten Watzl eine klare Meinung. Natürlich sei es „nicht zu vermeiden, dass sich Kinder in der Schule wieder anstecken“, so der Immunologe. Allerdings seien ihre Krankheitsverläufe meistens mild und viele Kinder hätten bereits Corona gehabt.

Man müsse nur „aufpassen, dass die Kinder das Virus nicht nach Hause tragen“ und so mitunter anfällige Angehörige mit Corona anstecken. Dass Kinder während einer Infektion zehn Tage in Quarantäne müssten, bedrohe „den Präsenzunterricht nicht“. Insgesamt gehe es auch hier darum, nicht die Infektionen, sondern schwere Erkrankungen zu verhindern.

Rubriklistenbild: © Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund; Collage: RUHR24

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