873 Brücken in NRW marode: Wann wiederholt sich Rahmede?
Die Sperrung der A45-Brücke in NRW trifft die Region hart. Hunderte weitere Brücken sind ebenfalls marode – und die Sanierung läuft schleppend.
Dortmund/Düsseldorf – Seit die Rahmedetalbrücke an der A45 Ende 2021 überraschend gesperrt werden musste, läuft die Suche nach einem Schuldigen. Der Vorfall hat viele Mängel an weiteren Brücken und im System aufgedeckt. Bei der Sanierung hat der Bund viel aufzuholen.
A45-Debakel in NRW: 873 Autobahn-Brücken sind marode – keine weiteren Sperrungen
Die Befragung von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Montag (13. Februar) zum Desaster um die A45-Brücke bei Lüdenscheid hat nicht viel Neues gebracht. Er war wegen angeblich fehlender E-Mails zu diesem Thema seitens der Opposition unter Druck geraten, konnte bei der Aktenarbeit jedoch keine Fehler erkennen.
Interessant waren im Verkehrsausschuss des Landtags hingegen die Ausführungen von NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) und der Autobahn-Direktorin Elfriede Sauerwein-Braksiek.
Christof Rasche (FDP) fragte im Ausschuss danach, ob nach aktuellem Stand Sperrungen weiterer Brücken in NRW drohen würden. „Mir ist nicht bekannt, dass eine Sperrung einer Autobahnbrücke beraten beziehungsweise drohen würde“, sagte Verkehrsminister Krischer. Die Autobahn-Direktorin bestätigte das.
Doch dass sich der Fall Rahmedetalbrücke wiederholen könnte, ist keineswegs ausgeschlossen, wie die folgende Analyse zeigen soll.
Wie viele Autobahnbrücken in Nordrhein-Westfalen müssen saniert werden?
Laut Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) müssen in Deutschland rund 4000 Brücken dringend erneuert werden. Allein 873 Brücken in NRW gelten laut Bundesverkehrsministerium im Januar 2023 als „besonders sanierungsbedürftig“.
Straßen.NRW war zuletzt für rund 13.000 Teilbauwerke zuständig, sagte Sauerwein-Braksiek im Ausschuss. Mittlerweile ist die Autobahngesellschaft zuständig und investiert kräftig. 2023 sollen fast 700 Millionen Euro in den Straßenbau fließen.
Zahl der Brücken in NRW:
- An Bundestraßen: 2583 (97,5 Kilometer)
- An Landstraßen: 3839 (79,2 Kilometer)
- An Kreisstraßen: 268 (4,5 Kilometer)
Zum Vergleich: Allein in NRW verfügt die A45 über 60 große Talbrücken, 123 weitere Brücken und 80 Überführungsbauwerke wie etwa Autobahnkreuze oder Tunnel.
Wie viele Brücken in NRW sind aktuell eingeschränkt befahrbar?
Doch bereits jetzt ist der Zustand einiger Bauwerke dramatisch. Stand Januar 2023 bestehen bei 16 Brücken in NRW Verkehrseinschränkungen. Betroffen sind unter anderem folgende Autobahnen:
Autobahn | Ort | Stadt |
A42 | AK Herne | Herne |
A42 | Rhein-Herne-Kanal | Herne |
A45 | AK Dortmund-Nordwest | Castrop-Rauxel |
A45 | Talbrücke Rahmede | Lüdenscheid |
A45 | Talbrücke Schlittenbach | Lüdenscheid |
A45 | Talbrücke Beustenbach | Lüdenscheid |
Doch nicht immer ist es damit getan, eine Brücke zu sanieren oder zu modernisieren. Denn zunächst muss anhand der Zustandsnote und dem Traglastindex festgestellt werden, wie marode die Substanz ist. Dies gelang bei der Rahmedetalbrücke nicht. Jetzt muss sie gesprengt und neu gebaut werden.
Wie wird der Zustand der Brücken in NRW erfasst?
Wie gut oder schlecht es um eine Brücke in NRW steht, wird im sogenannten Brückenbuch erfasst. In diese Datei tragen die Prüfer einzelne Schäden und weitere Feststellungen ein. Daraus errechnet die Software dann eine Zustandsnote.
Eine externe Fachabteilung berechnet zudem den Traglastindex. Dieser gibt an, ob eine Brücke wie jene an der A40 bei Bochum den statischen Anforderungen noch gewachsen ist, oder nicht. Diese Daten gehen dann an die Ingenieure der Brückenbauabteilung, die sich um die nötigen Sanierungen kümmert.
Wie kam es zum Desaster um die A45-Brücke Rahmedetal bei Lüdenscheid?
Nach Angaben der Autobahndirektorin sind gleich mehrere Faktoren schuld daran:
- Die Standsicherheit der Brücke war 2017 noch gegeben (Zustandsnote: 3).
- Daher wurden dringender erscheinende Projekte an der A45 vorgezogen.
- Zudem herrschte „Mangelverwaltung“ beim Personal im Brückenbau.
- Die deutlich gestiegene Verkehrsbelastung hat zudem für Schäden am Bauwerk gesorgt.
Wie häufig werden die Autobahnbrücken in NRW überprüft?
Sämtliche Autobahnbrücken in Nordrhein-Westfalen werden alle sechs Jahre per Hand auf Schäden untersucht. Dabei begutachten besonders ausgebildete Brückenprüfer jedes einzelne Bauteil, sagte die Autobahn-Direktorin im Ausschuss.
Drei Jahre nach dieser Hauptprüfung findet eine einfache Prüfung statt. Diese darf jedoch nicht derselbe Prüfer vornehmen, der bereits die Hauptprüfung absolviert hat.
Wie soll ein Super-Gau wie bei der A45-Brücke in NRW künftig verhindert werden?
Um der Lage Herr zu werden, pumpt der Bund derzeit Milliarden in die Sanierung und Modernisierung der Autobahnen und Brücken. Die Frage ist nur: wird das ausreichen? Seit 2021 übernimmt die Autobahn GmbH des Bundes diese Mammut-Aufgabe. Sie will anstatt der 200 Brücken im Jahr deutschlandweit künftig 400 Bauwerke instand setzen.

Dass dies rechtzeitig gelingt, ist jedoch fraglich. Denn laut der Antwort des Bundesverkehrsministers an den NRW-Landtag kommt die Autobahngesellschaft bei der Sanierung kaum hinterher. Den 873 "besonders sanierungsbedürftigen" Brücken stehen nur wenige Instandsetzungen und Erneuerungen entgegen. 2021 waren es in NRW 31 Maßnahmen, 2022 wurden 43 Brücken instandgesetzt. Viele Maßnahmen laufen zudem noch.
Dass man den bereits 2017 von Wüst festgestellten "gewaltigen Sanierungsstau" in absehbarer Zeit in Griff bekommt, glauben auch Experten nicht: „Das hehre Ziel, dass wir eine Straßen- und Schieneninfrastruktur, also insgesamt eine Verkehrsinfrastruktur so ertüchtigen, dass sie auch Ausbaupotenziale hebt, davon muss man sich allmählich verabschieden", sagt Frank Huster vom Logistikverband gegenüber dem Deutschlandfunk.