Rechtfertigung und Verteidigung
Obdachlosen-Camp nicht besucht: Stadt Dortmund geht in die Offensive
Das Obdachlosen-Camp in der Dortmunder Innenstadt schlägt mediale Wellen. Jetzt rechtfertigt sich auch die Stadt.
Dortmund – Wer dieser Woche vom Hauptbahnhof Dortmund in Richtung Westenhellweg geht, stößt auf ein Zeltlager direkt vor der Petrikirche. Es ist das Protestcamp der Initiative „Schlafen statt Strafen“ und soll auf die Situation der Obdachlosen aufmerksam machen. Nachdem die Stadt Dortmund eine Einladung, das Camp zu besuchen, zunächst ausgeschlagen hat, bezieht sie jetzt Stellung.
Obdachlosen-Camp nicht besucht: Stadt Dortmund verteidigt sich
„Die Veranstalter des Camps stellen als Beweggründe zur Durchführung dieser Veranstaltung dar, dass sie davon ausgehen, dass der Austausch zwischen der Stadtverwaltung und von Obdachlosigkeit betroffenen Menschen meist indirekt sei“, schreibt die Stadt in einer Mitteilung nach einer Sitzung unter anderem zu dem Thema Obdachlosigkeit in Dortmund.
Der Vorwurf laute, so die Stadt, „dass die Problemlagen dieser Menschen der Stadtverwaltung nicht ausreichend bekannt seien und zudem die betroffenen Menschen nur unzureichende Kenntnisse über die Angebote der Obdach- und Wohnungslosenhilfe in Dortmund hätten.“
Obdachlosen-Camp in der Dortmunder Innenstadt: Drei Forderungen der Initiative
Tatsächlich benennt „Schlafen statt Strafen“ drei konkrete Forderungen auf der Homepage:
- „Menschenwürdige, kostenfreie Unterbringung aller Menschen, die ein solches Angebot in Anspruch nehmen möchten. Anstatt nur auf Gruppenunterkünfte zu setzen, soll die Stadt Dortmund vermehrt langfristig erfolgreichere Programme wie Housing First umsetzen.“
- „Keine Verdrängung von Obdachlosen aus der Innenstadt durch Ordnungsamt, Polizei und private Sicherheitsdienste.“
- „Kostenlose, durchgehend geöffnete Toiletten auf dem gesamten Stadtgebiet.“
Dem entgegnet Dortmunds Sozialdezernentin Birgit Zoerner, dass Obdachlosenhilfe komplex aufgestellt sei. Allen voran führte sie das Netzwerk Wohnungslosenhilfe an, dem verschiedene Institutionen – wie beispielsweise Caritas, die Diakonie, die Fachhochschule Dortmund, Das Gasthaus – angehören.
„Selbstverständlich haben die verschiedenen Akteur*innen des Netzwerkes ‚Wohnungslosenhilfe‘ eine Vielzahl von Kontakten zu den betroffenen Menschen und kennen ihre Perspektive und Bedarfe“, schreibt die Stadt in der Mitteilung. Zoerner unterstrich, dass die Prämisse, den Obdachlosen zu helfen, sei: „Die Menschen müssen Hilfen annehmen.“
Stadt Dortmund geht in die Offensive beim Thema Obdachlosen-Camp: „Nicht akzeptabel“
Auch Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) ergriff nochmal das Wort zum Thema Wohnungslose in Dortmund. Er verteidigt die Stadt Dortmund: „Die Menschen, die sagen, uns seien die Menschen egal, sagen bewusst die Unwahrheit.“ Auch, dass Obdachlose aus der Innenstadt von Ordnungsamt regelmäßig vertrieben werden, rechtfertigt er.
Westphal beruft sich auf eine ordnungsbehördliche Verordnung. Hier verzichte die Stadt Dortmund schon, die zustehenden Bußgelder einzutreiben. Und betont: „Es ist nicht akzeptabel, dass trotz Angebote der Hilfesysteme jeder aussuchen kann, wo er schläft.“ Zudem kritisiert der Oberbürgermeister, dass sich die Diskussion auf das eine Instrument (Housing First, Anm. d. Red.) zugespitzt habe.
Housing First
Hierbei handelt es sich um einen Ansatz, die Wohnungslosigkeit unmittelbar zu beenden. Dabei erhalten Obdachlose wohnbegleitende Maßnahmen. Dabei müssen sie ihre „Wohnfähigkeit“ unter Beweis stellen. Erstmals stammt das Konzept aus den USA, auch in Finnland wird es praktiziert.
Quelle: housingfirstfonds
Stadt Dortmund verteidigt sich und legt Gründe für den Nicht-Besuch des Obdachlosen-Camps offen
Auch reagierten die Stadtpolitiker zur nicht wahrgenommen Einladung des Camp-Veranstalters. Die Sozialdezernentin ebenfalls: „Ich habe geantwortet, dass der richtige Ort, das von mir beschriebene Netzwerk ist. Das ist auch der richtige Ort, um Verbesserungsvorschläge vorzutragen und zu diskutieren.“ Wer einen konstruktiven Beitrag leisten möchte, sei eingeladen.
Auf Instagram reagierten die Ausrichter des Obdachlosen-Camps auf die Aussage: „Wir nehmen das Angebot von Sozialdezernentin Zoerner gerne an und werden am nächsten Treffen des Netzwerks Wohnungslosenhilfe teilnehmen.“
Im Zuge dessen zogen die Veranstalter Bilanz: „Wir sind begeistert davon, wie gut das Camp funktioniert und wie groß der Zuspruch von Obdachlosen ist. Das übertrifft unsere Erwartungen! Was besonders schön ist: Die Selbstorganisation des Camps funktioniert sehr gut und die Menschen tun alles, um zum Gelingen beizutragen.“
Aber hinterfragt auch: „Aber wenn das Konzept der Stadt doch so gut ist, wie behauptet, warum sind dann trotzdem noch Menschen bei Wind und Wetter auf der Straße?“ Und fordert erneut, dass direkter Austausch zwischen Betroffenen und der Stadt stattfinden müsse. Und schließlich folgt noch ein Angebot: „Wir würden da sehr gerne helfen, Kontakte herzustellen.“
Rubriklistenbild: © Anja Cord/Imago