Kommentar

Videoüberwachung in Dortmund: „Gratulation, Sie haben einen Dealer geschnappt“

Die Polizei Dortmund hat durch neue Videoüberwachung Kriminelle gefasst – und feiert sich nun selbst dafür. Daran sind gleich mehrere Dinge schwierig. Ein Kommentar.

Dortmund – Gratulation, liebe Polizei Dortmund, Sie haben einen Drogendealer gefasst! Und das nur dank der neuen Videoüberwachung in der Nordstadt. Für die Beamten ist das Bestätigung und Grund zur Freude. Ich finde: Da muss deutlich mehr kommen, um eine 24-Stunden-Überwachung zu rechtfertigen.

Kritik an Videoüberwachung in Dortmund: Polizei meldet ersten „Erfolg“ im Keuning-Park

Seit Montag (6. März) bekommt die Polizei Dortmund rund um die Uhr Live-Bilder aus dem Dietrich-Keuning-Park in der Nordstadt geliefert. Nur einen Tag später ein erster „Erfolg“: Vier Verdächtige sollen in dem Park mit Drogen gehandelt haben. Ein 18-Jähriger wurde vorläufig festgenommen, weil er Cannabis und Bargeld „in dealertypischer Stückelung“ dabei hatte.

Jetzt werden einige sagen: „Moment mal, ist doch gut, wenn die Polizei Dortmund die Drogendealer von der Straße fischt“. Da würde ich nicht widersprechen. Doch das Vorgehen und die Pressemitteilung über den Erfolg bei der Videoüberwachung sind gleich in mehrfacher Hinsicht problematisch.

Videokameras in Dortmund: Dietrich-Keuning-Park ist bis heute Drogenumschlagplatz

Zum einen ist der Keuning-Park in Dortmund ein seit Jahren berüchtigter Drogenumschlagplatz. Bereits 2017 hoben Beamte dort 20 Erdbunker voll mit Betäubungsmitteln aus – damals noch mit Spürhunden. Doch auch 2023 wird dort selbst tagsüber noch gedealt. Das kann jeder erleben, der mal über die Grünfläche flaniert. Abends lassen sich immer wieder Festnahmen beobachten.

Dass die Drogenhändler dort trotz Kameras weiterhin ihre illegalen Waren feilbieten, spricht weder für ihre Medienkompetenz, noch für den Abschreckungseffekt der Videokameras. Stadt und Polizei wollen den Park und seine kulturell wertvollen Anlagen lobenswerterweise nicht aufgeben. Künftig sollen hinter dem Dietrich-Keuning-Haus Kinder spielen und Open-Air-Festivals stattfinden. Eine geradezu romantische Vorstellung. Die Kameras sollen helfen, sie endlich wahr werden zu lassen.

Wie auch in anderen Städte bekommt die Polizei Dortmund ein Live-Bild der Kameras aus der Nordstadt.

Kameraüberwachung ist in Dortmund nichts Neues. Am „Platz von Leeds“ und in der Brückstraße hängen seit Jahren Videokameras, an der Münsterstraße in der Nordstadt ebenso. Generell darf die Polizei Dortmund aber nur dort überwachen, wo sich die Straftaten häufen.

Videoüberwachung in Dortmund: Polizei geht selbsterfüllender Prophezeiung auf den Leim

Das zweite Problem daher: Wo viel gedealt und viel kontrolliert wird, stellt man leicht auch viele Straftaten fest. Unter den 673 Vorfällen im Keuning-Park waren vergangenes Jahr fast 500 Drogendelikte. Das Paradebeispiel einer selbsterfüllenden Prophezeiung, für die die Polizei aber nichts kann.

Auch in der Innenstadt von Dortmund hat die Polizei bereits Videoüberwachung eingesetzt.

Ein weiteres Manko: Der Handel mit dem (in absehbarer Zeit wohl ohnehin legalen) Marihuana ist unschön, aber eine Lappalie im Vergleich zu den anderen Straftaten in der Nordstadt.

Denn in den vergangenen Jahren hat es immer wieder Messerattacken, Raubüberfälle und sexuelle Belästigungen im Keuning-Park gegeben. Wenn es der Polizei gelingt, mit der Videoüberwachung auch Straftaten dieser Schwere aufzuklären oder sogar nachweislich zu verhindern: Das wäre ein echter Erfolg.

Videobeobachtung in Dortmund: „Es muss mehr herausspringen, als die Festnahme eines Kleinkriminellen“

Bisher versucht die Polizei Dortmund aus meiner Sicht, die laufende Videobeobachtung anhand von Kleinigkeiten zu rechtfertigen. Immerhin gut zu wissen, dass die Kameras diesmal – anders als zuletzt an der Kampstraße – auch durchgehend eingeschaltet sind.

Am Keuning-Park in Dortmund werden künftig 4 Kameras an mehreren Standorten eingesetzt.

Der Preis dafür: Derzeit kann jeder Bürger gefilmt werden, der eine Veranstaltung im Keuning-Haus, die Skatehalle, das Nordbad oder auch nur den Park besucht. Rund um die Uhr, jeden Tag, mindestens bis zum Sommer. Dabei muss künftig mehr herausspringen, als nur die Festnahme eines halbstarken Kleinkriminellen. Hinweis: Dieser Kommentar entspricht der Meinung des Autors und muss nicht zwingend die Ansicht der gesamten Redaktion widerspiegeln.

Rubriklistenbild: © Daniele Giustolisi/RUHR24, Rupert Oberhäuser/Imago; Collage: RUHR24