Neue Zahlen
Gewalt in Dortmunder Kitas stark gestiegen – Stadt nennt mögliche Gründe
Medienberichten zufolge nimmt die gemeldete Gewalt in Kitas und Kindergärten in NRW zu. RUHR24 hat nachgefragt, wie die Situation in Dortmund ist.
Dortmund – Gewalt gegen Kinder ist ein wachsendes Problem. Wie RUHR24 bereits im Sommer 2022 berichtet hat, steigen auch die Zahlen der Kindeswohlgefährdung in Dortmund weiter an. Nicht nur im privaten Umfeld kommt es zu Gewalt gegen Kinder. Auch in Kindergärten und Kitas in Dortmund wächst das Problem.
Gemeldete Gewaltfälle in Dortmunder Kindergärten und Kitas steigen stark an
Das hat der zuständige Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) auf exklusive Nachfrage von RUHR24 mitgeteilt. Bei den Zahlen handelt es sich um alle gemeldeten Fälle von Gewalt in Kitas in Dortmund. „Wir gehen jeder dieser Meldungen nach“, so Markus Fischer vom LWL.
Die aktuellsten Zahlen des LWL kommen aus dem Jahr 2021. Insgesamt wurden in dem Jahr in den Dortmunder Kindergärten und Kitas 35 Fälle von Gewalt an Kindern gemeldet. Im Vergleich zu 2020 hat sich die Zahl damit mehr als verdreifacht. Noch erschreckender fällt der Vergleich zum Jahr 2019 aus: Die Gesamtzahl hat sich in zwei Jahren verfünffacht.
Zahl der gemeldeten Gewaltfälle in Dortmunder Kitas steigt alarmierend an
Wie aus den Zahlen des LWL hervorgeht, wurden Im Jahr 2019 in Dortmund sieben Fälle von Gewalt in Kitas gemeldet. Im Jahr 2020 lag die Zahl dann bei elf gemeldeten Vergehen. Der enorme Sprung auf 35 Fälle im Jahr 2021 sollte daher umso alarmierender sein.
Der LWL unterscheidet in der Statistik zwischen vier Kategorien von Gewalt: Körperliche Übergriffe, sexuelle Übergriffe, „unangemessenes Erziehungsverhalten“ und Übergriffe durch Kinder untereinander. Dabei gibt es klare Unterschiede zwischen den Zahlen der einzelnen Kategorien.
Gewalt in Kindergärten in Dortmund: Immer mehr körperliche Übergriffe werden gemeldet
Gerade die Zahl der gemeldeten körperlichen Übergriffe sowie der Übergriffe unter Kindern ist seit 2019 extrem angestiegen. Während im Jahr 2019 in Dortmund gar keine körperlichen Übergriffe und nur zwei Fälle unter Kindern gemeldet wurden, lagen die Zahlen 2021 bei neun beziehungsweise 17 gemeldeten Vorfällen.
Die Zahl der vermeintlichen sexuellen Übergriffe in Dortmunder Kindergärten und Kitas ist glücklicherweise auf einem konstant niedrigen Niveau. 2019 wurde ein Fall gemeldet, 2020 waren es zwei, 2021 wieder einer. Auch die gemeldeten Fälle von Gewalt durch „unangemessenes Erziehungsverhalten“ sind zwischen 2019 und 2021 nur leicht gestiegen, haben sich aber immerhin von vier auf acht verdoppelt.
Höhere Sensibilisierung sorgt für mehr gemeldete Gewalt an Kitas in Dortmund
Wie Markus Fischer vom LWL auf RUHR24-Anfrage angibt, liege der enorme Anstieg der gemeldeten Fälle nicht automatisch an höherer Gewaltbereitschaft in Kitas. Viel mehr habe sich laut ihm in den letzten Jahren eine Sensibilisierung entwickelt. Gründe dafür seien „diverse öffentlich gewordenen Kinderschutzfälle, aber auch Maßnahmen der Landesjugendämter.“
Die jeweiligen Jugendämter haben die Kindergärten und Kitas laut Markus Fischer in den letzten Jahren intensiv über Meldepflichten informiert. So soll Gewalt in den Einrichtungen möglichst effektiv unterbunden werden.
Auch Katrin Pinetzki von der Stadt Dortmund sieht die gestiegene Bedeutung des Themas als einen Grund für die mehr gemeldeten Fälle. Für sie sei der Anstieg der Zahlen in Dortmund „auf eine größere Sensibilisierung für den Kinderschutz und die flankierenden Schulungen“ zurückzuführen.
Gemeldete Gewalt in Dortmunder Kitas: Experten sehen mehrere Ursachen
Doch nicht nur die gewonnene Bedeutung des Themas Gewalt in Kitas habe den enormen Anstieg herbeigeführt. Für Markus Fischer vom LWL sind die „Ursachen der kindeswohlgefährdenden Ereignisse in der Regel multikausal“. Es gibt also mehrere Gründe, für Gewalt in Kindergärten und Kitas.
Dabei spielen laut Markus Fischer vor allem personelle Defizite eine Rolle. Faktoren für die Kindeswohlgefährdung seien „individuelle Überforderungssituationen“ sowie Verletzungen der Aufsichtspflicht. Auch gewisse „pädagogische Grundhaltungen“ und „mangelnde pädagogische Handlungsfähigkeiten“ können laut LWL für Gewalt in Kitas sorgen.
Dazu seien auch simple Kommunikationsstörungen ein möglicher Auslöser für gewalttätige Vorfälle. Und gerade jetzt käme ein weiteres Problem hinzu: der Personalmangel in Kitas. Auch das sieht der LWL als Faktor für Gewaltvorfälle in den Kindergärten an (mehr News aus Dortmund auf RUHR24).
Gemeldete Gewalt in Dortmunder Kitas laut Stadt „leicht gestiegen“ – Dunkelziffer könnte höher sein
Die Zahlen des LWL über die gemeldeten Fälle von Gewalt an Dortmunder Kitas reichen nur bis 2021. Für das Jahr 2022 konnte die Stadt Dortmund auf Anfrage von RUHR24 nur die Zahlen des städtischen Trägers Fabido nennen. 17 gemeldete Fälle seien es hier gewesen. „Im Vergleich zu den Vorjahren ist diese Zahl leicht gestiegen“, sagt Katrin Pinetzki von der Stadt Dortmund.
Die Fabido ist städtischer Träger von 109 Kindergärten und Kitas in Dortmund. Darüber hinaus gibt es in der Stadt aber noch 178 weitere Kitas von freien Trägern. Daher ist es möglich, dass es im Jahr 2022 mehr als die 17 gemeldeten Fälle an Gewalt in Dortmunder Kitas gab.
Gewalt in Kitas und Kindergärten: Stadt Dortmund versucht es mit Aufklärungsarbeit
Nicht nur der LWL und die Landesjugendämter versuchen in letzter Zeit verstärkt Aufklärungsarbeit zu leisten. Auch in Dortmund beteiligt sich die Fabido an den Maßnahmen, wie Katrin Pinetzki erklärt: „Der städtische Träger hat alle Konzepte entsprechend ertüchtigt und in allen Bezirken Infoveranstaltungen zu diesem Thema abgehalten.“
Nicht nur in Dortmund sind die Zahlen von gemeldeten Gewaltfällen in Kitas und Kindergärten stark angestiegen. Wie die Neue Westfälische berichtet, zeigt sich der besorgniserregende Trend in ganz NRW. Insgesamt haben sich die Zahlen laut des Berichts je nach Kategorie verdoppelt oder sogar verdreifacht.
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