„Sind sehr enttäuscht“
Dortmunder Stadtoberhäupter lehnen Einladung von Obdachlosen-Camp ab
In Dortmund findet ein einwöchiges Protestcamp gegen die Diskriminierung von Obdachlosen statt. Doch die Stadtoberen bleiben der Veranstaltung fern.
Dortmund – Der Aufschrei im Herbst 2022 war groß: Die Händlervereinigung Cityring kündigte an, Obdachlose in der Dortmunder Innenstadt mithilfe eines Sicherheitsdienstes aus den Eingangsbereichen von Häusern und Geschäften zu entfernen. Der Widerstand mündet ab Samstag (28. Januar) in einem einwöchigen Protestcamp der neu gegründeten Initiative „Schlafen statt Strafen“ mitten in der City – doch wie RUHR24 berichtet, wird es zu einem Dialog mit den Dortmunder Stadtoberen wohl nicht kommen.
Aktivisten wollen mit Protestcamp in Dortmund auf Situation von Obdachlosen aufmerksam machen
Dass es Obdachlose nicht leicht haben, ist wohl kein Geheimnis. Besonders während der aktuell herrschenden eisigen Temperaturen lässt es sich auf den Straßen Dortmunds kaum aushalten.
Laut den Zahlen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) befanden sich von den rund 29.810 wohnungslosen Personen im Rheinland etwa 1680 in Dortmund (Stand: Juni 2021). Aktuell soll die Zahl der Personen ohne festen Wohnsitz bei schätzungsweise 900 liegen, erklärt die Initiative „Schlafen statt Strafen“.
Der Trend ist eindeutig: In NRW ist die Zahl der Obdachlosen laut der Wohnungslosenstatistik 2021 erstmals seit zehn Jahren wieder gesunken.
Die Stadt hat zwar eine „Unterbringungspflicht“ und tut nach eigenem Bekunden dank städtischer Übernachtungsstellen und extra für insgesamt 400 Wohnungslose angemietete Wohnungen viel für Obdachlose. Doch nicht nur der mit der Stadt Dortmund abgesprochene Sicherheitsdienst des Cityrings, sondern auch eine Anti-Obdachlosen-Bank im Kreuzviertel erhitzte zuletzt die Gemüter.
Stadt Dortmund verweist auf Maßnahmen zur Unterstützung von Wohnungslosen
Für die Initiatoren von „Schlafen statt Strafen“ ist das Fass längst übergelaufen. „Die Situation ist für Obdachlose hier in Dortmund katastrophal“, sagt Anna Flaake, Pressesprecherin des Aktionsbündnisses gegenüber dem Wdr. Nach wie vor fehle es an akzeptablen und kostenlosen Notunterkünften für die etwa 900 Obdachlosen in Dortmund.
Um darauf aufmerksam zu machen, befindet sich das Camp mit zwei großen und mehreren kleineren Zelten im Herzen der Stadt. In Absprache mit der Polizei hat man sich auf den Standort Ecke Kampstraße/Katharinenstraße unweit des Dortmunder Hauptbahnhofs geeinigt.
Initiatoren von „Schlafen statt Strafen“ kritisieren die Stadt Dortmund und den Cityring
Die Zeltstadt unter dem Motto „Schlafen statt Strafen“ mitten in Dortmund beginnt am Samstag (28. Januar) mit einer Kundgebung und endet am 5. Februar. Rund um die Uhr können Passanten hier mit den Aktivisten und auch mit Wohnungslosen ins Gespräch kommen.
Begleitet wird das Ganze mit einem politischen Rahmenprogramm, das unter anderem von der „Anarchistischen Gruppe Dortmund“ mitgestaltet wird. Hinzu kommen unter anderem Workshops mit externen Gästen, Vorträge oder ein Literaturabend. Unter dem Motto „Essen für alle“ soll es zudem jeden Abend ein veganes Essensangebot geben.
Dortmunder Aktivisten wollen „Betroffene selbst zu Wort kommen lassen, statt nur über sie zu reden“
Ganz wichtig: Die Initiatoren wollen hier nach eigenem Bekunden keine „Obdachlosigkeit simulieren“, sondern einen Dialog auf Augenhöhe schaffen und die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken. „Es ist uns ein großes Anliegen, die Betroffenen selbst zu Wort kommen zu lassen, statt nur über sie zu reden, wie es sonst im politischen Diskurs so häufig passiert“, erklärt Anna Flaake.
Zu den Forderungen der Dortmunder Initiative gehören unter anderem kostenlose, rund um die Uhr geöffnete Toiletten in der Innenstadt oder das Ende obdachlosenfeindlicher Architektur. Das Protestcamp finanziert sich laut den Aktivisten aus Eigenmitteln und Spenden.
Dortmunder Protestcamp liefert buntes Rahmenprogramm und soll Dialog auf Augenhöhe schaffen
Geht es nach den Aktivisten, so soll dieser Dialog am liebsten mit den Dortmunder Stadtoberen selbst stattfinden – zudem wolle man eine Petition mit Unterschriften für einen würdevollen Umgang mit Obdachlosen überreichen. Doch Tobias Heitmann vom Cityring lehnte ab. Gegenüber dem Wdr erklärte er, zwar grundsätzlich zum Dialog bereit zu sein, befürchte aber, dass das Camp nicht den Rahmen für ein Gespräch auf Augenhöhe liefern könne.
Er selbst sei schon während der Debatte mehrfach öffentlich beleidigt worden. Im Übrigen sei der umstrittene Sicherheitsdienst, der sich laut Heitmann nie gegen Dortmunder Obdachlose an sich gerichtet habe, bereits nach knapp sechs Wochen wieder abgeschafft worden (mehr News aus Dortmund auf RUHR24).
Stadtvertreter folgen Einladung von Dortmunder Aktionsbündnis nicht – Aktivisten campieren für eine Woche in der City
Und der Dortmunder Oberbürgermeister? Wie der Wdr berichtet, lässt auch Thomas Westphal sich entschuldigen. Er sei aus terminlichen Gründen verhindert, erklärt die Stadt. Dennoch wolle man sich mit dem Protestcamp und den Forderungen der Aktivisten auseinandersetzen.
Auch die Dortmunder Sozialdezernentin Birgit Zoerner erteilte der Einladung zum Vorstellen des Konzeptes der Stadt gegen Wohnungslosigkeit eine Absage, berichtet „Schlafen statt Strafen“. Schließlich habe die Stadt ein funktionierendes Konzept gegen Wohnungslosigkeit, außerdem sei die Diskussion in bestehenden Netzwerken zielführender. Über diese fehlende Dialogbereitschaft sei man laut Flaake „sehr enttäuscht“.
Dortmunds Oberbürgermeister Thomas Westphal (SPD) meidet das Protestcamp – Aktivisten sind „sehr enttäuscht“
„Wenn die Stadtvertreter*innen so überzeugt von ihrem Konzept sind, sollte es doch ein Leichtes sein, dieses in der Öffentlichkeit zu diskutieren“, findet Flaake. Doch auch wenn keine städtischen Vertreter das Protestcamp „Schlafen statt Strafen“ besuchen werden, hoffen die Aktivisten, dass sich die Situation von Obdachlosen in Dortmund zeitnah verbessern wird.
Und falls sich ein Stadtvertreter doch umentscheidet und mal vorbeischaut, sei man „für kurzfristige Änderungen im Programm“ selbstverständlich offen.
Rubriklistenbild: © Anja Cord/Imago; Collage: RUHR24