Body-Modification
Tobias aus Dortmund polarisiert mit Aussehen: „Bis ich voll bin“
Tobias Müller aus Dortmund hat seinen Körper stark verändert. Im Interview mit RUHR24 gibt er einen Einblick in seine besondere Lebenswelt.
Dortmund – Immer mehr Menschen in Deutschland entscheiden sich laut einer Studie für ein Tattoo. Manche tragen es mit Stolz, andere wiederum bereuen die Entscheidung. Tobias Müller (33) aus Dortmund geht ganz offen mit seinen zahllosen Tattoos und Piercings um – und das aus gutem Grund: Schließlich hat er seinen Körper nach dem Schönheitsideal von „Body-Modification“ (deutsch: Körpermodifikation) verändert. Im Gespräch mit RUHR24 spricht er über seinen besonderen Look, Grenzen des Körperkults und fliegende Bierflaschen.
Dortmunder betreibt „Bodymodification“ – Reaktionen auf seinen Körper sind ganz verschieden
Bunte Haare, zahllose (Gesichts-) Tattoos und Piercings, große Ohrtunnel, eine gespaltene Zunge und sogar ein tätowierter Augapfel. Wenn Tobias Müller durch die Dortmunder Innenstadt geht, zieht er ständig neugierige Blicke auf sich.
Daran ist der Tierpfleger, der im Dortmunder Zoo arbeitet und laut eigener Aussage „optisch immer etwas außerhalb stand“, längst gewöhnt. „Viele gucken erstmal skeptisch, die Reaktionen sind dann unterschiedlich: Manche werfen mir abschätzige Blicke zu, andere wiederum kommen auf mich zu, finden mein Aussehen gut und fragen sogar nach Fotos“, erklärt er.
Negative Reaktionen auf sein besonderes Aussehen lassen den Dortmunder ohnehin kalt. „In erster Linie ist ‚Body-Modification‘ die Verkörperung des eigenen Schönheitsideals“, erklärt er. „Für mich war von Anfang an klar: So will ich aussehen. Und wenn mein Look irgendwen stört, denke ich mir: ‚Jetzt doch erst recht!‘ Warum sollte ich mich nicht ausleben können, wie ich möchte?“
Dortmunder Zootierpfleger polarisiert schon seit Teenager-Tagen mit auffälligem Aussehen
Dass er mit seinem besonderen Aussehen polarisiert, ist Tobias Müller natürlich bewusst. Schon als Kind faszinierten ihn Tätowierungen, mit 17 Jahren wollte er dann endlich selbst eins haben.
„Die Tätowiererin wollte allerdings keine Ausnahme bei mir machen“, erklärt der gebürtige Dortmunder, der sich schon seit seiner Schulzeit zur Dortmunder Punkerszene zugehörig fühlt. Bis heute hat er viele Freunde dort.
Mit 18 durfte er sich dann erstmals tätowieren lassen. Zuvor waren immerhin schon einmal drei Ohrlöcher drin gewesen. „Mit der Zeit wurde das dann immer mehr, über Ebay haben ich mir sogar eine eigene Tattoomaschine bestellt“, erinnert er sich. Bis auf wenige Ausnahmen unterstützten ihn auch seine Eltern bei seiner Entscheidung, den Körper nach und nach zu verändern.
Tattoos, Piercings, Ohrlöcher – Tobias Müller aus Dortmund zieht Parallele zu Rolf Buchholz
Teils stach er sich dann selbst seine Tattoos, teils duften sich Freunde an seiner Haut ausprobieren. „Die Tattoos waren natürlich nicht immer gut, aber ich mag sie trotzdem“, lacht Müller. Als mit den Jahren dann mehr Geld zur Verfügung stand, zog es den Dortmunder nahezu jede Woche zum Tätowierer.
Über das Internet stieß Tobias Müller dann auf Body-Modification – wenn man so will, eine Zäsur in seinem Leben. Nun waren nicht mehr nur Tattoos, sondern auch krassere Eingriffe angesagt. Für seine Augapfel-Tätowierung reiste er extra zu einem Fachmann in die Schweiz.
Eine homogene, stark vernetzte und aktive Dortmunder Body-Modification-Szene ist Tobias Müller hingegen nicht bekannt. Allerdings sei er auch nicht so gut vernetzt wie andere in Dortmund und im Ruhrgebiet, beteuert er. „In Dortmund kennt man aber natürlich Rolf Buchholz, den laut dem Guinness World Records meistgepiercten Mann der Welt“.
Dortmunder Punker zählt vieles zur Körpermodifikation dazu – auch Krafttraining
In dessen Dimensionen bewegt er sich allerdings nicht. Rolf Buchholz hat 561 Piercings, davon befinden sich allein 278 im Genitalbereich. Abgesehen von seinem Gesicht ist sein gesamter Körper zusätzlich tätowiert.
„Wenn man so will, ist jede Veränderung des eigenen Körpers eine Art Body-Modification“, erklärt Tobias Müller. Nach einem breiteren Begriffsverständnis zählten schließlich auch Gewichtzu- oder Abnahme oder Krafttraining dazu. Demzufolge seien die Grenzen von Body-Modification für ihn sehr weit zu setzen.
Nicht alle Elemente von Bodymodification sagen Dortmunder Tobias Müller zu
Ob es jedoch auch persönliche Grenzen des Körperkults gebe? „Manche Sachen habe ich bisher nicht gemacht, zum Beispiel sogenannte Bodysuspension“, erklärt der Dortmunder. Dabei lassen sich Menschen an kleinen Fleischerhaken aufhängen, um in der Luft zu schweben – für viele Menschen sicherlich gewöhnungsbedürftig, auch für Tobias Müller.
An körperliche Anfeindungen, die Tobias Müller in der Vergangenheit vereinzelt erlebt hat, musste er sich glücklicherweise nicht gewöhnen. „Zu körperlichen Angriffen ist es in den letzten Jahren nicht gekommen, ich bin schließlich auch 1,90 Meter groß“, sagt er. Allerdings sei seine Freundin, die ebenfalls Teil der Dortmunder Punker-Szene ist und Body-Modification betreibt, schon angegriffen worden.
Wegen Aussehen – BVB-Fans bewarfen jungen Dortmunder Punker mit Bierflaschen
Der letzte Angriff auf ihn sei schon eine ganze Weile her. „Mit 16 Jahren wurde ich wegen meines Aussehens von BVB-Fans an Spieltagen schon mal mit Flaschen beworfen“ erinnert sich der Dortmunder.
Doch auch das habe ihn in seinem Entschluss, seinen Körper zu verändern, nur bestärkt. Wenig überraschend steckt hinter seinem Aussehen für Tobias Müller mehr als nur spezielle optische Vorlieben.
„Im Großen und Ganzen ist Aussehen politisch“ findet er. Die Erinnerung an das Recht von körperlicher Selbstbestimmung und die Vermittlung von Werten wie Toleranz und Vielfalt stehen hinter seinem markanten Look.
Dortmunder will mit Aussehen politisieren – Politische Botschaften schmücken seinen Körper
Abgesehen davon habe er, neben nicht ganz ernst gemeinten „Quatschtattoos“, wie einem Kothaufen auf dem linken Arm, auch eindeutig politische Motive auf sich verewigt. Dazu zählen beispielsweise auch „politische Tätowierungen gegen Rassismus, Fleischessen oder auch gegen Tierversuche“, erklärt er stolz.
Beim Blick auf das Instagram-Profil des Dortmunder, dem fast 7500 Menschen folgen, wird ebenso deutlich, dass Body-Modification für Tobias Müller mehr als nur ein Hobby ist. „Antifascist, Vegetarian, Anarchist“ steht in seiner Bio – ein klares politisches Bekenntnis.
Instagram sei für ihn eine gute „Möglichkeit, sich zu zeigen und Reichweite aufzubauen“. Das scheint zu funktionieren: Auf Instagram teilte er jüngst ein Bild, auf dem er und seine Freundin als Gäste in der Kult-Talkshow „Britt – Der Talk“ zu sehen sind.
Bodymodifikator aus Dortmund plant weitere Tattoos – auch am zweiten Augapfel
Auf die Frage, ob sein Körper in Zukunft noch mehr Verzierungen erhält, hat der Dortmunder eine klare Antwort: „Ich will mich wieder tätowieren lassen, bis ich voll bin – nur ein Teil des Gesichts soll noch frei bleiben“.
Dass dabei weitere Kosten auf ihn zukommen, ist Tobias Müller natürlich bewusst. Für seine Tattoos und Piercings musste er bereits häufiger tief in die Tasche greifen: „Am teuersten war ein Brusttattoo, da habe ich 750 Euro für bezahlt.“
Bodymodification kann teuer sein – Dortmunder hat jedoch einen großen Vorteil
Für Implantate lege er in der Regel zwischen 250 und 300 Euro auf den Tisch. Ein großer Vorteil für den Dortmunder: Seine Freundin tätowiert ihn seit rund vier Jahren umsonst. Das trägt nicht nur zur guten Beziehung bei, sondern schont auch den Geldbeutel.
Neben weiteren Implantaten plant Müller auch, sich den zweiten Augapfel bei seinem Arzt des Vertrauens in der Schweiz tätowieren zu lassen. Angesichts derartiger Pläne erscheint es nicht ganz unwahrscheinlich, dass Passanten in der Dortmunder Fußgängerzone dem Zootierpfleger auch zukünftig neugierige Blick zuwerfen.
Rubriklistenbild: © Instagram/bunter_bodymodification/Tobias Müller