Nach Todesschüssen auf 16-Jährigen: Entwaffnung der Polizei Dortmund gefordert
Der Schock nach den tödlichen Schüssen in der Dortmunder Nordstadt sitzt tief. Hat die Polizei rechtmäßig gehandelt?
Dortmund – Die tödlichen Polizeischüsse auf einen 16-jährigen Jugendlichen am Montagnachmittag (8. August) beschäftigt weiter die Menschen in Dortmund. Am frühen Dienstagabend (9. August) demonstrierten rund 200 Menschen gegen Polizeigewalt auf dem Kurt-Piehl-Platz nahe des Tatorts. Eine Gruppe fordert nun die sofortige „Entwaffnung“ der Polizei.
Stadt | Dortmund |
Bundesland | NRW |
Fall | tödliche Polizeischüsse auf einen Jugendlichen |
Polizeigewalt in Dortmund? Antifa zeigt sich „fassungslos“ nach Schüssen auf 16-Jährigen
Der Schock sitzt bei den Menschen in der Nordstadt noch tief. Laut den Ruhr Nachrichten legten viele Menschen Blumen am Tatort nieder, andere zündeten Kerzen an. Neben dem Schock und der Trauer mischt sich allerdings auch Wut. So schreibt die Gruppe „Autonome Antifa 170“ aus Dortmund, dass man „fassungslos“ sei und eine schnelle und unabhängige Aufklärung fordere.
Zudem fordere die Gruppe eine „Entwaffnung der Polizei“. So heißt es weiter: „Immer wieder eskalieren derartige Einsätze durch den Waffeneinsatz der Polizei, die nicht willens oder fähig ist, deeskalative Einsatzstrategien umzusetzen", so der Vorwurf.
Die Kritik der Antifa-Gruppe ist deutlich. Kritik kommt auch von den Grünen und sie fordern eine lückenlose Aufklärung des Vorfalls: „Die bisherigen Schilderungen der Staatsanwaltschaft lassen aktuell viele beunruhigende Fragen offen: Warum gelingt es elf Polizisten nicht, einen mit einem Messer bewaffneten 16-jährigen Jugendlichen außer Gefecht zu setzen, ohne ihn dabei zu töten? Warum haben alle anderen eingesetzten Mittel nicht funktioniert?“, fragen sich die Grünen.
Fakt ist: Laut Angaben des NRW-Innenministeriums sind im vergangenen Jahr drei Menschen durch den Gebrauch einer polizeilichen Dienstwaffe getötet worden.
Schüsse auf 16-Jährigen in Dortmund: Wann darf ein Polizist schießen?
Wann darf eine Polizistin oder ein Polizist einen Schuss auf einen Menschen abgeben? Diese Frage ist ganz klar zu beantworten. Die Polizei darf nur dann zur Waffe greifen, wenn alle anderen Maßnahmen nicht greifen und Lebensgefahr für Mitmenschen und die Polizisten selbst besteht.
Laut Angaben der Tagesschau seien alle bisher registrierten Fälle in NRW notwendig gewesen – der Dortmunder Fall bleibe abzuwarten. Weiter heißt es in dem Bericht: 23 Menschen sind seit 2017 in NRW durch Schüsse der Polizei gestorben, meldet das Landesinnenministerium. Darin enthalten sind auch schon drei Fälle von 2022.
- Was ist Montagnachmittag (8. August) in der Holsteiner Straße in der Dortmunder Nordstadt geschehen? Laut Angaben der ermittelnden Staatsanwaltschaft ist die Polizei gerufen worden, weil ein Betreuer einer Jugendhilfeeinrichtung – in der auch der 16-Jährige untergebracht gewesen sein soll – den Jugendlichen mit einem Messer gesehen habe.
- Was der junge Mann eigentlich mit dem Messer vorhatte oder ob er suizidale Gedanken hatte, sei noch nicht abschließend geklärt. Im Verlauf des Vorfalls setzten die Polizisten laut Angaben der Staatsanwaltschaft Reizgas und einen Taser ein. Schließlich fielen die tödlichen Schüsse – insgesamt sechs an der Zahl, fünf trafen den 16-Jährigen.
NRW-Innenminister Herbert Reul setzt weiter auf den Taser
Welche Möglichkeiten zur Gefahrenabwehr haben Polizisten neben der Schusswaffe? Jörg Radek von der Gewerkschaft der Polizei sagt in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung, dass die Schusswaffe die „Ultima Ratio“ sei, also das allerletzte Mittel. In einigen Polizei-Dienststellen in NRW stehen seit Anfang 2021 Elektroschockgeräte zur Verfügung. Auch die Polizei Dortmund führt diese Taser mit sich.
NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte sich kürzlich gegenüber der Rheinischen Post positiv über den bisherigen Verlauf der Taser-Testphase gezeigt: „Ich hatte die Hoffnung, dass schon das bloße Wissen um das neue Einsatzmittel und die Androhung abschrecken und zur Deeskalation beitragen. Diese Rechnung ist bislang in fast 80 Prozent aller Fälle aufgegangen.“
Weiter heißt es in der Zeitung, dass der Taser im vergangenen Jahr 179 Mal eingesetzt worden sei – in mindestens 154 Fälle habe die reine Drohung eines Einsatzes gereicht.

Polizeibeamter aus Dortmund ist Beschuldigter in einem Tötungsdelikt
Laut Carsten Dombert, ermittelnder Staatsanwaltschaft im Fall des getöteten 16-Jährigen in der Dortmunder Nordstadt, sei der Taser auch an der Holsteiner Straße eingesetzt worden. Warum anschließend insgesamt sechs Schüsse abgegeben worden sind, muss jetzt weiter ermittelt werden.
Der Polizeibeamte, der die Schüsse abgegeben hat, werde als Beschuldigter geführt. Es gehe um den Anfangsverdacht der Körperverletzung mit Todesfolge.