Einsatz in der Nordstadt

Dortmunder Polizei beging vor tödlichen Schüssen auf 16-Jährigen offenbar Fehler

Der Einsatz eines Tasers gegen den später in Dortmund erschossenen Jugendlichen war gegen die Dienstvorschrift. Das berichtet der WDR.

Dortmund – Im Fall von Mouhamed D. (†16) gibt es neue Entwicklungen. Demnach hätten die Polizisten in Dortmund keinen Taser gegen den Jugendlichen einsetzen dürfen. Das geht laut einem Bericht des WDR vom Sonntag (6. November) aus einer Dienstvorschrift der Polizei hervor.

Polizei Dortmund hätte laut Dienstanweisung nicht mit Taser auf Mouhamed D. schießen dürfen

Der offenbar psychisch angeschlagene Jugendliche war am 8. August in Dortmund von der Polizei erschossen worden. Er soll ein Messer in der Hand gehalten haben und damit auf die Beamten zugegangen sein. Schließlich wurde er durch fünf Kugeln aus der Maschinenpistole eines Polizisten getötet.

Zuvor hatten die Beamten bereits versucht, den jungen Mann mit abgelaufenem Pfefferspray außer Gefecht zu setzen. Als das nicht funktionierte, sei mehrfach ein Distanzelektroimpulsgerät (DEIG) eingesetzt worden. Dieses erzielte weder den gewünschten Effekt, noch hätte es offenbar überhaupt eingesetzt werden dürfen, wie ein Bericht des WDR nun nahelegt.

Polizei Dortmund hat DEIG trotz „dynamischer Lage“ mit Messer eingesetzt

Demnach hätten die insgesamt zwölf an dem Einsatz beteiligten Polizisten gegen die Dienstvorschrift gehandelt, als sie den Taser eingesetzt hatten. Darin heißt es laut Unterlagen des WDR:

Grundsätzlich nicht geeignet sind DEIG zur Bewältigung von dynamischen Lagen im Kontext von Bedrohungen oder Angriffen mit Hieb-, Stich, Schnitt- oder Schusswaffen.

Dienstvorschrift der Polizei NRW

Doch von genau einer solchen „dynamischen Lage“ hatte die Polizei später selbst gesprochen, als der Jugendliche die Beamten mit dem Messer angegriffen haben soll. Die schließlich tödlichen Schüsse der Polizei verteidigte ein Insider zwar. Ob es überhaupt so weit kommen musste, müssen nun die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zeigen.

Videoaufnahmen werden dabei wohl nicht helfen: die Bodycams der Dortmunder Polizisten waren ausgeschaltet. Nach dem Vorfall haben sich jedoch bereits mehrere Zeugen gemeldet. Zudem wurden die Stimmen der Beteiligten wohl durch ein Telefonat aufgezeichnet.

Taser haben nur eingeschränkten Einsatzbereich bei der Polizei NRW

Die DEIG lassen sich von Polizisten nur in bestimmten Situationen einsetzen. In der Regel soll bereits die Drohung mit einem Elektroschocker genügen, um etwa Randalierer gefügig zu machen. Reicht das nicht aus, müssen trotzdem mehrere Umstände gegeben sein, damit ein Beamter den Taser überhaupt einsetzen darf. Sind die Angreifer erkennbar jünger als 14 Jahre, schwanger oder gebrechlich, scheidet ein Einsatz aus.

Polizeibeamte sichern einen Einsatzort in der Holsteiner Straße. Ein 16-Jähriger ist durch einen oder mehrere Schüsse von Polizisten tödlich verletzt worden.

Die Polizei NRW schreibt zum Taser selbst in einem Beitrag: „Bei Personen, die stark unter Adrenalin stehen, wirkt Pfefferspray beispielsweise oft nicht. Wenn Polizistinnen und Polizisten mit einem Messer angegriffen würden, eigne sich die neue Waffe (...) nicht.“ Zudem sei immer Fingerspitzengefühl nötig: „Das Gerät soll aber auf keinen Fall die Kommunikation ersetzen“, wird dort eine Polizeihauptkommissarin zitiert.

Seit Anfang 2021 werden Taser auch in Dortmund genutzt. In NRW gab es bereits hundert Einsätze mit den Elektroschockern, Dutzende Male wurde gefeuert. Erst Ende Oktober war ein herzkranker Mann bei einem Taser-Einsatz in Dortmund gestorben. Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigte auch hier an, dein Einsatz untersuchen zu lassen. Das Pilotprojekt läuft noch bis Ende 2023.

Rubriklistenbild: © Rolf Vennenbernd/dpa/Symbolbild

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