Vorfall in der Nordstadt

Schüsse auf Dortmunder (16): Waren die ausgeschalteten Bodycams rechtens?

Während der tödlichen Schüsse auf einen 16-Jährigen hatte keiner der elf Dortmunder Polizisten eine Bodycam an. Handelten die Beamten sogar korrekt?

Dortmund – Eine Woche nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 16-Jährigen in Dortmund rätselt eine ganz Stadt, warum die Bodycams aller elf eingesetzten Beamten ausgeschaltet waren.

TatortHolsteiner Straße, Dortmund
TatzeitMontag (8. August)
VorfallPolizist erschießt Jugendlichen mit fünf Schüssen

Polizei Dortmund lässt Bodycams während Schüssen auf 16-Jährigen ausgeschaltet – zu Recht?

Aufnahmen dieser Cams würden dabei helfen, den Vorfall von Montag (8. August) besser aufzuklären. Stattdessen muss sich die Polizei Dortmund nun den Vorwurf gefallen lassen, kein wirkliches Interesse an der Aufklärung des Falls zu haben.

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (DPA) hieß es zur Begründung aus Ermittlerkreisen, der Einsatz in der Holsteiner Straße in der Nordstadt von Dortmund sei zunächst nicht für den Einsatz einer Bodycam geeignet gewesen, da der 16-Jährige augenscheinlich damit gedroht hatte, sich mit einem Messer umzubringen.

Eingeschaltete Bodycams nicht immer erlaubt – Dortmunder Polizei handelte zunächst offenbar rechtens

In einer Dienstanweisung der NRW-Polizei heißt es entsprechend, dass das Filmen „höchstpersönlicher Lebenssachverhalte“ nicht gestattet sei. Im Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen heißt es dazu im Wortlaut:

Die Aufzeichnung personenbezogener Daten, die dem Kernbereich privater Lebensgestaltung zuzurechnen sind, ist unzulässig.

§ 15c PolG NRW

Eine genaue Definition davon, was genau der „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ ist, ist in dem Gesetz nicht zu finden. „Die höchstpersönliche Entscheidung, sein Leben beenden zu wollen und dabei ‚gefilmt‘ zu werden, könnte darunter zu subsumieren sein“, sagte der Sprecher des NRW-Innenministeriums dem Kölner Stadtanzeiger.

Polizei Dortmund schaltet Bodycams auch nicht ein als Situation kippt

Als die Situation kippte und der 16-Jährige mit dem Messer auf die Polizisten zuging, sei die Lage für die Beamten der Polizei Dortmund schließlich binnen Sekunden so stressig geworden, dass keiner an die Bodycam gedacht habe.

Jeder Polizist und jede Polizistin in NRW entscheidet selbst darüber, wann er oder sie die Bodycam einschaltet.

Dabei wäre das Einschalten der Bodycams in dieser Situation laut Polizeigesetz geboten gewesen, da Gefahr für Leib oder Leben für die Polizeibeamten bestanden hatte. Nach bisherigem Ermittlungsstand war der 16-Jährige trotz des Einsatzes von Pfefferspray und Tasern mit einem Messer auf die Polizisten zugegangen.

Erich Rettinghaus, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, sagte der Rheinischen Post dazu: „Manchmal hat man auch schlichtweg keine Hand frei, um die Kamera anzustellen.“ In dynamischen Einsatzlagen, so Rettinghaus, fehle teils auch die Zeit, um die Bodycams einzustellen.

Tödliche Schüsse in Dortmund: Polizei muss Bodycams im Notfall nicht zwingend einschalten

Im Gesetzestext ist nicht von einem einschalten „müssen“ die Rede, sondern von einem einschalten „können“. Konkret heißt es dazu: „Über die Anfertigung der technischen Aufzeichnungen entscheidet die das Aufnahmegerät tragende Polizeivollzugsbeamtin oder der das Aufnahmegerät tragende Polizeivollzugsbeamte anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls.“

Alle Einsatzkräfte der Polizei Dortmund ließen ihre Bodycam während der Schüsse auf einen 16-Jährigen ausgeschaltet.

Da es jetzt kein Filmmaterial von der Dortmunder Polizei gibt, hat die in diesem Fall ermittelnde Polizei Recklinghausen Zeugen dazu aufgerufen, Fotos und Videos von dem Vorfall auf einem Hinweisportal der Polizei NRW hochzuladen.

Immerhin: Im Zukunftsvertrag der NRW-Regierung steht geschrieben, dass die Bodycams der Polizei künftig über eine Kopplung automatisch eingeschaltet werden, sobald ein Taser benutzt wird. Bei dem Dortmunder Vorfall wäre mit dieser Regelung zumindest die Cam eines Polizisten angesprungen.

Rubriklistenbild: © Markus Wüllner/News4Videoline; Future Image/Imago; Collage: RUHR24

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