Unternehmen reagiert
Dortmund: Lieferando-Fahrer berichtet über katastrophale Zustände
Ein Lieferando-Fahrer berichtet gegenüber RUHR24, was es bedeutet, bei Extremhitze zu arbeiten. Das Unternehmen reagiert.
Dortmund – 39 Grad. Im Schatten. Es ist leicht vorzustellen, dass Asphalt, Motoren und Karosserien von Autos und Glasfassaden von Gebäuden in den Städten von NRW die Temperatur noch um ein paar Grad erhöhen. Für Fahrer von Lieferando oder ähnlichen Lieferdiensten bedeutet das Arbeiten unter Extrembedingungen. Gegenüber RUHR24 äußert sich einer dieser Fahrer und prangert zudem das Unternehmen an.
Bundesland | NRW |
Unternehmen | Lieferando |
Thema | Arbeiten der Lieferando-Fahrer bei Extremwetter / Hitze |
NRW: Lieferando-Fahrer spricht mit RUHR24 – Arbeiten bei Hitze sei extrem
Arbeiten bei 39 Grad? Das sei extrem, sagt Jonas (Name von der Redaktion geändert) gegenüber RUHR24. Der Alltag eines Fahrers von Lieferando sei generell anstrengend. Aber bei Hitze bekomme das noch mal eine ganz andere Note.
Die Anzahl an gefahrenen Kilometer variiere zwischen circa 40 bis 130 Kilometern (Vollzeitkräfte) am Tag. Zwar mit E-Bike. Dennoch sei das anstrengend. Denn hinzu komme ja noch Treppensteigen – und der Stress des Großstadtverkehrs (mehr News aus NRW bei RUHR24).
Die Arbeitsbedingungen bei Lieferando seien schwierig, gibt Jonas zu. Hinzu käme jetzt im Sommer die Hitze. Jeder Fahrer bekäme Warnungen und Verhaltenshinweise. Zudem eine Schirmmütze, die nur schwer unter dem Helm passt und Sonnencreme. Was ist mit Wasser? Zwar gebe es in der Zentrale Wasserspender, das helfe aber den Fahrern nicht, die zu Hause arbeiten.
Doch was stört Jonas und andere Lieferando-Fahrer besonders am Umgang von Lieferando mit der Hitze? Einerseits sei die Kommunikation mangelhaft. Ein klares Statement, dass man ab 35 Grad hitzefrei machen darf, vermisse er. Zwar könne man Sicherheitsbedenken äußern und sich mit der Zentrale verständigen.
NRW: Lieferando-Fahrer kritisiert Unternehmen – Kommunikation bei Hitze hat großen Haken
Aber er habe das Gefühl, dass davon lediglich erfahrene Fahrer wissen. Eine klare Kommunikation, dass man durchaus bei Extremhitze längere Pausen oder bei Sicherheitsbedenken gar freiwillig auf die Schicht verzichten darf, fehle komplett. Dieser Sicherheitsaspekt müsse bei jeder Form von Extremwetter – auch im Winter und bei Sturm – gelten.
Andererseits sei da noch die Sache mit der Ausrüstung. Im Übrigen gelte dieser Kritikpunkt nicht nur bei Hitze, sondern auch im Winter. Es gebe laut Jonas keine professionelle Kleidung für die Fahrer. Gerade bei Hitze, aber auch bei Kälte sei das bereitgestellte Material eine Katastrophe.
Es handele sich nicht um die klassische Funktionskleidung für Radfahrer, die vor allen Dingen beim Pensum zwischen 40 und 130 Kilometer notwendig wäre. Zudem haben die Fahrer keinen klassischen, mit Belüftungsfunktion ausgestatteten Helm, sondern eine Skater-Version. Der Helm sei sicher. Aber zu warm. Gerade bei Hitze. Der Rucksack dürfe nicht am Rad befestigt werden, sondern müsse auf dem Rücken getragen werden – eine Strapaze.
NRW: Unternehmen Lieferando reagiert – ein Satz beruhigt, doch fehlt in den Fahrerinformationen
Auf Anfrage von RUHR24 reagierte Lieferando auf die Beschreibungen des Umgangs mit Hitze und den Fahrern. Gesundheit, so Pressesprecher Oliver Klug, habe Priorität. Man orientiere sich an den aktuellen Wetterwarnstufen. Die Fahrer sollen aktuell schonender fahren, mehr Pausen machen. In den Zentralen gebe es Wasser. Restaurants seien angewiesen, ebenfalls Wasser auszuschenken.
Ein Satz dürfte im Rahmen der Hitzediskussion durchaus interessant sein. „(...) bei Bedenken können sie sich bei ihrem Vorgesetzten melden!“ Genau das ist der Kritikpunkt, der besonders im Fokus steht. Zwar steht dieser Satz in einem zusammengefassten Statement, das RUHR24 zugeschickt worden ist.
Er fehlt allerdings in den RUHR24 vorliegenden allgemeinen Hitzeempfehlungen, die das Unternehmen Lieferando an die Fahrer geschickt hat. Ob das Unternehmen, das so klar kommuniziert hat, ist unklar. Dieser Satz sei zwar einigen Fahrern bekannt, so Jonas gegenüber RUHR24, aber so eine richtige Kommunikation habe es nicht gegeben.
NRW: Lieferando-Hitzeempfehlungen - Unterschied zum Pressestatement ist gegeben
Folgender Satz aus der Hitzeempfehlung kommt dem Pressestatement wohl am nächsten, dürfte sich aber eher auf den Zeitpunkt innerhalb einer Schicht beziehen: „Bei Bedarf einer Pause, Anzeichen von Unwohlsein, einer Hitzeerschöpfung oder eines Hitzekollaps wende dich bitte an das Live Operations Team.“ Eine Art „Hitzefrei“ bei Extremtemperaturen oder zumindest ein Hinweis auf Freiwilligkeit der Schicht fehlt.
Zum Kritikpunkt der fehlenden Funktionskleidung schrieb das Unternehmen, dass die Fahrer „luftige Sommerkleidung“ haben. Auf den Rucksack ist Lieferando nicht eingegangen.
NRW: So reagiert die Konkurrenz von Lieferando – Gorillas und Flink setzen Fahrten aus
Wie agiert eigentlich die Konkurrenz von Lieferando? Laut einem Bericht der Lebensmittelzeitung bieten Gorillas und Flink die Möglichkeit an, den Betrieb bei extremer Hitze vorübergehend einzustellen. Ähnlich wie Lieferando haben die Konkurrenzunternehmen ähnliche Maßnahmen im Repertoire gegen Hitze wie Sonnencreme, Getränke und verlängerte Pausenzeiten.
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) forderte die Unternehmen laut Lebensmittelzeitung auf, Rücksicht zu nehmen und die Fahrer, sich an die Unternehmen zu wenden. Man erwarte, dass bei zu hohen Temperaturen keine Lieferdienste mehr angeboten werden.
Lieferando-Fahrer Jonas wäre es wichtig, dass die Fahrer eindeutig die Möglichkeit hätten, bei Extremwetter auf die Schicht zu verzichten. Ihm sei zwar bewusst, dass viele Fahrer aufgrund finanzieller Aspekten keine Schichten ausfallen lassen wollen. Aber ein einfaches „trinkt Wasser“ und „geht in den Schatten“ reicht einfach nicht aus. Es müsse eine klar kommunizierte und eindeutige „Hitzefrei-Regel“ her.
Rubriklistenbild: © Michael Gstettenbauer/Imago