„Das ist verheerend“
Dortmunder Kleingärtner sollen plötzlich 28.000 Euro mehr zahlen
aktualisiert:
Kleingärtner in Dortmund ächzen unter den immensen Stromkosten. Ein Verein soll 28.000 Euro mehr zahlen. Der Vorstand ist sauer – und fürchtet das Aus.
Dortmund – Ein Haus mit Garten in Dortmund, das hätte viele gerne. Wer sich das nicht leisten kann, erfüllt sich mit einem Kleingarten den Traum von der grünen Oase in der Stadt. Doch für viele Menschen wird genau das gerade zum Albtraum.
Kleingartenverein Hafenwiese in Dortmund soll 28.000 Euro mehr für Strom zahlen
Der Kleingärtnerverein Hafenwiese in Dortmund ist herrlich gelegen. Zwischen Fredenbaumpark und Hafenbecken reihen sich hier 225 Parzellen aneinander. Damit ist die Hafenwiese einer der größten Schrebergärten in Nordrhein-Westfalen.
Das könnte sich schnell ändern, denn dem Verein droht das Aus. Nach den gestiegenen Preisen für Lebensmittel, Miete und Wärme trifft viele Kleingärtner jetzt beim Strompreis der Schlag. In einem offenen Brief beklagte der Vorstand Ende November gegenüber Stadtverwaltung und DEW21 eine immense Rechnung.
Demnach soll der Kleingartenverein im kommenden Jahr 28.000 Euro mehr für den Strom in den Lauben abdrücken, als bislang. „Bis die Leute gezahlt haben, müssen wir 49.000 Euro vorstrecken“, sagt Shaban Idrizi, Vorsitzender des Kleingärtnervereins Hafenwiese. „Das ist verheerend.“
Energieversorger DEW21 erhöht Preise erhöhen – Kleingärtnern droht Verlust der Parzelle
Dass der Strom teurer wird, ist Idrizi klar: „Mich ärgert nicht der Strompreis, sondern dass zu unterschiedlichen Zeiten gekündigt wurde“, sagt er. Der Energieversorger DEW21 hat alle auslaufenden Verträge zum Ende der jeweiligen Laufzeit gekündigt und kurzfristig neu geschlossen – zu einem entsprechend höheren Preis.
Andere Kleingartenvereine würden in ihrem neuen Vertrag nur knapp über 40 Cent pro Kilowattstunde zahlen. In der Hafenwiese sind es ab Januar 81 Cent, vorher lag der Preis bei 27 Cent pro Kilowattstunde. Die 40 Cent hätte Idrizi gerne gezahlt, sagt er: „In den sauren Apfel hätten wir gebissen.“
Das Problem: Bis zu 45 Kleingärtner in der Hafenwiese zahlen die jährliche Pacht bereits jetzt in Raten ab. Sie können den niedrigen dreistelligen Betrag schlichtweg nicht auf einmal schultern. Einige Rentner sind bereits seit 30, 40 Jahren im Kleingarten, dazu kommen junge Familien.
Durch die gestiegenen Energiekosten drohen sie jetzt ihren Garten zu verlieren. „Ich kann das mit meinem Gewissen nicht vereinbaren“, sagt Idrizi. Er will für die Mitglieder kämpfen und „alles in Bewegung setzen.“
DEW21 gibt hohe Energiekosten weiter: Kleingärten gelten als Gewerbekunden
Einen speziellen Stromtarif für Kleingärtner gab es in Dortmund mal, 2017 wurde er jedoch abgeschafft. Seitdem gelten die Kleingartenvereine als Gewerbekunden und zahlen auch den entsprechenden Tarif. Das bestätigt die DEW21 auf Anfrage von RUHR24.
Die Stromverträge zu den alten Konditionen weiterlaufen lassen, sei nicht möglich gewesen, teilt Unternehmenssprecherin Jana-Larissa Marx mit: „Vor dem Hintergrund der Entwicklungen auf den Energiemärkten wäre eine solche Verlängerung wirtschaftlich nicht stemmbar gewesen.“
Am 15.12. hat der Bundestag die Energiepreisbremsen verabschiedet. Verbraucher*innen und Unternehmen sollen dadurch schnell und wirksam finanziell entlastet werden. #DEW21 @DEW21 arbeitet aktuell mit Hochdruck an der Umsetzung. Alle Infos: https://t.co/r5r2z3oBCg@stadtdortmund pic.twitter.com/CSVJKyLs8b
— Konzern Stadtwerke Dortmund (@StadtwerkeDO) December 19, 2022
Die teilweise knappen Fristen von nur einer Woche für einen neuen Vertrag seien der „dynamischen Entwicklung auf den Energiemärkten“ geschuldet, teilt DEW21 mit. Die Preise seien jedoch für alle Kunden gestiegen, nicht nur für Gewerbekunden. Mit den Kleingartenvereinen habe es bereits Gespräche gegeben, sagt sie.
Stadt Dortmund will „lebendiges Miteinander gewährleisten“
Warme Worte gibt es auch aus dem Büro des Dortmunder Oberbürgermeisters: „Die Stadt Dortmund möchte an dieser Stelle gerne unterstützen, da die Kleingartenvereine in Dortmund zu den Orten gehören, wo die Bürger*innen zusammenkommen“, teilt Frank Bußmann, Sprecher des Oberbürgermeisters, schriftlich mit. „Dieses lebendige Miteinander muss weiter gewährleistet sein. Dafür wollen wir gemeinsam mit allen Akteuren die Voraussetzungen schaffen.“
Shaban Idrizi vom Kleingärtnerverein hat bis Dienstag (20. Dezember) allerdings keine Rückmeldung von der Stadt zu seinem offenen Brief bekommen, sagt er.
Was tun also? Eine Lösung könnte eine Fotovoltaikanlage sein, glaubt Idrizi: „Wenn da jetzt nichts passiert, müssen wir das irgendwie abdecken.“ Die Verzweiflung ist groß. „Ich weiß nicht, wie wir das Jahr überstehen sollen.“
Hohe Strompreise in Dortmund treffen erneut die sozial Schwachen
Stand jetzt ist letztlich derjenige der Dumme, der die Erhöhung nicht mehr bezahlt bekommt. Die DEW21 gibt die gestiegenen Energiepreise in diesem Fall an den Kleingärtnerverein Hafenwiese weiter. Der muss die Mehrkosten an die Pächter weitergeben.
Ganz unten trifft es dann erneut die sozial schwachen Dortmunder. Wer nicht zahlen kann, muss wohl oder übel seinen Garten aufgeben oder steht beim Verein in der Kreide. Dem droht somit ebenfalls die Insolvenz. So dürften sich bereits jetzt wahre Dramen in den einzelnen Parzellen abspielen.
Das Thema ist längst im NRW-Landtag angekommen. SPD-Abgeordnete Anja Butschkau hatte sich im Oktober ebenfalls mit dem Stadtverband der Kleingärtner getroffen. Zuvor hatte die SPD in NRW bereits einen Energiegipfel gefordert, um Menschen mit niedrigem Einkommen zu entlasten. Eine Lösung der Misere seitens der schwarz-gelben Landesregierung ist bislang aber nicht in Sicht.
Rubriklistenbild: © Sven Hoppe/DPA