Geheimnisse im Boden

Mega-Bunker schlummert unter dem Hauptbahnhof Dortmund

Dortmund hütet ein offenes Geheimnis. Unter dem Asphalt befindet sich eine der größten Bunkeranlagen Europas.

Dortmund – Der Zweite Weltkrieg ist lange her und doch machen Entwicklungen, wie der Angriffskrieg in der Ukraine, nachdenklich. Wo findet die Bevölkerung in NRW Schutz, wenn es nötig wäre? Offizielle, intakte Bunkeranlagen gibt es in Dortmund nicht mehr. Das bestätigt auch die Stadt auf Nachfrage von RUHR24.

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ThemaBunkeranlage
GrundBevölkerungsschutz

Unter Dortmund schlummert eine der größten Bunkeranlagen Europas

Viel mehr setzt man seit Jahren auf Mehrzweckanlagen. Zum Beispiel können einige Tiefgaragen im Ernstfall zu Schutzräumen umfunktioniert werden. Auch Sirenen sollen die Menschen in Dortmund schützen. So sieht es auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe vor. Dabei befindet sich unter dem Dortmunder Boden bereits ein vergessenes Netz aus Tunneln und Gängen.

Laut der Stadt Dortmund könnte es sich dabei sogar um eine der größten Bunkeranlagen in Europa handeln. Als Industriestandort war Dortmund Zielort für sehr viele Bombenangriffe. Etwa 95 Prozent der Stadt wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört. Tausende Menschen kamen ums Leben. Wer konnte, suchte Schutz im etwa fünf Kilometer langen Tunnelsystem.

Bunkeranlage unter Dortmund – Zeitzeugen schildern ihre Erinnerungen

Das beweisen auch Berichte von den Eheleuten und Zeitzeugen Budde. RUHR24 hat Auszüge aus einem Interview mit den beiden von der Familie erhalten. Die Ehepartner waren selbst in den Bunkeranlagen in Dortmund, um Schutz zu suchen. Edith Budde schildert ihre Erinnerungen so: „Bei Luftangriffen wurden die Züge auf den Gleisen gestoppt. Wir mussten dann in den Bunker gehen. Da waren viele Soldaten drin.“

Ehemann Eberhard Budde erinnert sich im Zusammenhang mit dem Dortmunder Bunker an folgendes: „In dem Bunker ging es richtig rund. (…) Dann gab es plötzlich den nächsten Angriff. Da waren dann die Häuser zerbombt. Die Bomben flogen da über dich drüber. Die Fenster sind sofort zersprungen.“

Er fährt fort: „An der Seite waren dann diese Drähte. Keine Ahnung, wofür die waren. Und dann waren da unten Gräben, da war so viel Wasser drin. Wenn wir rauswollten, mussten wir erstmal da drin liegen und nass werden.“ Die Stadt Dortmund sucht aktuell noch lebende Zeitzeugen. Interessierte können sich unter dieser E-Mail-Adresse bei der Stadt Dortmund melden: iluther@stadtdo.de.

An vielen Stellen von Dortmund gibt es noch Hinweise auf Bunkeranlagen, wie hier im Rombergpark.

„Vielleicht bekommen wir auf diesem Wege sogar noch unbekannte und private Fotos zusammen. Auf jeden Fall möchten wir die persönlichen Geschichten festhalten und mit den ‚nüchternen‘ Fakten des Tiefstollensystems für die Nachwelt verknüpfen“, sagt Rald Herbrich, Leiter der Denkmalbehörde Dortmund.

Heutige Nutzung des Bunkers in Dortmund

Heute scheint die Stadt Dortmund dennoch einen gewissen Abstand von der Anlage zu wahren. In einem Statement gegenüber RUHR24 schreibt eine Sprecherin: „Eine Übersicht über alle ehemaligen Bunkeranlagen in Dortmund gibt es bei uns nicht. Einige Hochbunker sind aufwändig verfüllt oder abgerissen worden“ (z.B. in Hörde, wo heute ein Mediamarkt steht).

Einige Hochbunker erfüllen mittlerweile andere Zwecke. Hier proben Bands oder sind Jugendtreffs errichtet.

„Andere sind vom Bund verkauft worden und sind heute eine Art Geschichtsmuseum (z.B. an der Ruhralle) und darüber wurden Wohnungen gebaut. Wieder andere bieten aufgrund der dicken Mauern (die akustisch gut abschirmen können) ideale Proberäume für Bands“ (mehr News aus Dortmund bei RUHR24).

Die Bunkeranlage in Dortmund als Lost Place

Dennoch gibt es viele Bereiche der Bunkeranlage, die heute als Lost Place vor sich hin schlummern. Das fast fünf Kilometer lange Tunnelnetz erstreckt sich vom Hauptbahnhof bis zum Westpark. Die Denkmalbehörde Dortmund lässt den Bunker aktuell vermessen und dokumentieren, weil der Originalzustand auch durch Vandalismus immer mehr verschwindet.

Aktuell wird der Bunker in Dortmund vermessen und dokumentiert.

Mit dem Bau des Bunkers wurde bereits in den 30er Jahren begonnen. Während des Zweiten Weltkrieges wurde die Anlage deutlich ausgebaut – hauptsächlich durch Zwangsarbeiter. Ziel des Baus waren fast 10 Kilometer Bunker für bis zu 120.000 Menschen. Der Bunker wurde nie komplett fertig, schützte aber dennoch viele Menschen vor den Angriffen. Zu Zeiten des Kalten Krieges wurde ein Teil des Bunkers saniert. Dennoch fehlen viele Unterlagen.

Alte Bunker in Dortmund nicht mehr intakt – Betreten ist gefährlich

Die nicht öffentlich zugänglichen Bereiche der Bunkeranlage aufzusuchen, ist nicht empfehlenswert und kann neben Hausfriedensbruch sogar gefährlich sein. Wer sich in dem Gänge-Labyrinth verirrt, findet womöglich nicht mehr raus. Faulgase, die sich dort unten gebildet haben, können außerdem dafür sorgen, dass man nicht wieder aufwacht.

Unter Dortmund liegt eine der größten Bunkeranlagen Europas.

Auch plötzliche Wassereinfälle können zu Notsituationen führen. Handyempfang gibt es laut der Stadt Dortmund dort unten kaum. Wohl auch aus diesen Gründen gibt es keinen öffentlichen Plan oder ähnliches. Spätestens seit dem Angriffskrieg in der Ukraine bekommt die lange Zeit nahezu vergessene Bunkeranlage wieder mehr Aufmerksamkeit.

Selbst ein Tatort-Dreh fand schon unter besonderen Vorkehrungen statt. Der Streifen wird 2023 ausgestrahlt. Für ihren ursprünglichen Zweck kann die Anlage aber wohl nicht mehr genutzt werden. „Das wäre kostspielig. Dennoch will das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe dieses Thema im ganzen Land prüfen“, schreibt die Stadt Dortmund in einer Pressemitteilung.

Rubriklistenbild: © Roland Gorecki, Stadt Dortmund

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