Rede bei Querdenken231-Versammlung

Dortmund: Was genau der nun freigestellte Polizist auf der Corona-Demo sagte

Nach seiner Rede auf der Versammlung der Corona-Skeptiker von "Querdenken231" ist ein Polizist freigestellt worden. Aber was waren seine Worte?

  • Die Rede eines Polizisten bei der Corona-Demo am Sonntag (9. August) in Dortmund hat Konsequenzen.
  • Der Kriminalhauptkommissar wurde von der Polizei Hannover freigestellt.
  • An wichtigen Stellen in seiner Rede ruft er zum Ungehorsam auf und zieht Nazi-Vergleiche.

Dortmund – Mit den Worten "Ich bin Patriot, kein Idiot" hat der Polizist Michael Fritsch (57) aus Hannover am Sonntag (9. August) seine Rede bei der Querdenken231-Demo in Dortmund begonnen. 25 Minuten später, nachdem der Kriminalhauptkommissar seine Ansprache vor 2.800 Corona-Skeptikern beendet hatte, war er (vorerst) auch seinen Job bei der Polizei Hannover los.

NameCoronavirus
Übertragungvorwiegend durch Tröpfcheninfektion
SymptomeFieber, trockener Husten, Müdigkeit

Corona-Demo in Dortmund: Polizist aus Hannover nach Rede vom Dienst freigestellt

Er sei vorerst vom Dienst entbunden worden, hieß es in dieser Woche von der Polizei Hannover, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Es werde nun geprüft, ob der Mann gegen die gebotene Neutralität und die sogenannte Wohlverhaltenspflicht verstoßen habe. Doch was waren die Worte, die dazu führten?

Der Vater von drei Kindern, der nach eigenen Angaben selbst aus einer Polizisten-Familie stammt, habe sich seine Worte "reichlich überlegt". Er habe sich noch nie öffentlich politisch geäußert, sagte er. Am 1. August sei er allerdings privat bei der Corona-Demo in Berlin dabei gewesen. "Mehrere 100.000 Menschen seien dort gewesen", behauptete der 57-Jährige. Die Polizei in Berlin spricht derweil in der Spitze von 20.000 Teilnehmern.

Dann nimmt die Ansprache des Kriminalhauptkommissars auf der Bühne in Dortmund langsam Fahrt auf. Es gäbe aus seiner Sicht seit langem keine Gewaltenteilung mehr in Deutschland. Leitungen von Polizeibehörden seien "politische Beamte" und Gesetzesentwürfe würden von Lobbyisten geschrieben. Wie Fritsch auf letztere Aussage kommt, teilt er nicht mit.

Polizist teilt bei Demo in Dortmund gegen Medien und Politik aus

Dann teilt der 57-Jährige pauschal gegen "die Medien" und "die Politiker" aus. "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht - und wenn er auch die Wahrheit spricht." Das Publikum auf dem Hansaplatz in Dortmund jubelt. Auch hier: keine näheren Angaben, wie er auf die Aussagen kommt.

Ein Polizist aus Hannover ist nach seiner Rede bei einer Demonstration gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen in Dortmund vorerst vom Dienst entbunden worden.

Applaus brandet auch auf, als der 57-Jährige die Polizei in Deutschland als "die beste Polizei der Welt bezeichnet." Es wird offenbar der erste zaghafte Versuch unternommen, die Polizei auf die Seite der Corona-Skeptiker zu ziehen. Im weiteren Verlauf der Rede wird der Hannoveraner Polizist die Anwerbeversuche für seine Kollegen intensivieren. 

Corona-Demo in Dortmund: Polizist kritisiert Infektionsschutzgesetz

Zunächst widmet sich Fritsch allerdings der Kritik am Infektionsschutzgesetz. Es sei kaum zu verstehen und teils so verfasst, dass einzelne Paragrafen auch auf "Scheidenpilz, Herpes und Würmer" zutreffen könnten. Er kritisiert, dass eine Vermutung ausreiche, um als Corona-Verdächtiger zu gelten. Vieles sei daher "alles nur eine Frage der Interpretation und der Begründung."

Nun geht der Polizist auf den Paragrafen 5 des Infektionsschutzgesetzes ein, in dem es um die "Epidemische Lage von nationaler Tragweite" geht. Fritsch stellt infrage, ob es diese in Deutschland überhaupt gäbe. Dazu zitiert er den umstrittenen deutschen Infektionsepidemiologen Sucharit Bhakdi, der behauptete: "Wir haben und wir hatten in Deutschland niemals eine Epidemie von nationaler Tragweite."

Corona-Demo in Dortmund: Polizist zitiert umstrittenen Wissenschaftler

Bhakdi hatte in diesem Jahr mit einem Youtube-Video für Aufsehen gesorgt, in dem er behauptete, der Impfstoff gegen Covid-19 sei sinnlos und Corona nicht gefährlicher als ein Grippevirus. Er hatte sich dabei auf eine Studie von John P. A. Ioannidis gestützt, einem Medizinprofessor der Stanford University. Die Studie von Ioannidis wurde jedoch von anderen Experten kritisiert – unter anderem, weil dort Antikörpertests verwendet wurden, die noch unzuverlässig seien. Das Recherchezentrum Correctiv fand heraus, dass die meisten der sieben Behauptungen Bhakdis in dem Video unbelegt seien.

Polizist Fritsch kommt auf dem Dortmunder Hansaplatz unterdessen zur Forderung, die aktuellen Grundrechtseingriffe sollten "angesichts der vielen Fakten aus der Medizin" aufgehoben werden. Dass es laut einer Umfrage des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg (UKE), der Gesellschaft für Virologie (GfV) und der Universität Tübingen einen wissenschaftlichen Konsens in den meisten Punkten gab, erwähnt Fritsch nicht.

Querdenken-Demo in Dortmund: Polizist will Kollegen überzeugen

Dann widmet sich der Kriminalhauptkommissar aus Hannover erneut der Polizei, die bei der Demo in Dortmund zahlreich vertreten ist. "Illegale Anordnungen oder Befehle dürfen wir als Polizisten nicht ausführen. Wir haben an dieser Stelle nicht nur das Recht, sondern die Pflicht zur Remonstration", (Anm. d. Red.: Hierunter wird die Pflicht des Beamten verstanden, Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen unverzüglich bei dem unmittelbaren Vorgesetzten geltend zu machen) sagt der Redner bei seinem Auftritt auf der Querdenken231-Demo in Dortmund.

Es folgt ein Rückblick auf die Corona-Skeptiker-Veranstaltung am 1. August in Berlin. Die Auflösung der Versammlung, so die Behauptung Fritschs, sei keine polizeiliche, sondern eine politische Entscheidung gewesen. Teilnehmer hätten das Hygienekonzept und die Auflage zum Tragen des Mund-Nase-Schutzes nicht beachtet, lautete hingegen die Begründung der Polizei Berlin.

Corona-Demo in Dortmund: Polizist fordert Kollegen zu Ungehorsam auf

Nun richtet der 57-Jährige einen drastischen Appell an die Polizei: "Siegt das Gewissen, oder der Gehorsam?", fragt er. Als Polizist sei er "keinem Menschen zu bedingungslosem Gehorsam verpflichtet". Indirekt fordert er die Polizei damit zum Ungehorsam auf.

Ein Polizist aus Hannover ist nach seiner Rede bei einer Demonstration gegen die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen in Dortmund vorerst vom Dienst entbunden worden.

Jetzt wird es brenzlig, zieht der Kripo-Beamte nun Parallelen zur Zeit des Nationalsozialismus. Damals hätten Regierende ihre Sicherheitskräfte schonmal bedingungslosem Gehorsam unterworfen "und sie für die abscheulichsten Verbrechen missbraucht", so Fritsch. "Heute habe ich Angst, denn mein Bauch sagt mir, dass sich alles wieder in dieselbe Richtung entwickelt." Damit vergleicht Fritsch die aktuellen Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung indirekt mit dem millionenfachen Mord der Nationalsozialisten an unschuldige Menschen im Dritten Reich.

Querdenken-Demo in Dortmund: Polizist zieht Nazi-Vergleich

Dem Schwenk ins Dritte Reich folgt eine Aufforderung an die Polizei: "Liebe Polizisten geht in eure Herzen und fragt euch, ob ihr das alles als Menschen, als Väter und Mütter, die ihr auch seid, mittragen könnt und wollt. Denkt bitte an euren Auftrag und schließt euch an." Hier wird es konkret: Die Polizei solle sich den Querdenkern anschließen. Das Publikum skandiert: "Schließt euch an!"

Polizist redet in Dortmund 25 Minuten lang - und fordert dann Meinungsfreiheit

Ein jeder Polizist trage die Verantwortung für sein Handeln und er werde sich früher oder später dafür rechtfertigen müssen, so der Polizist. Es liege an der Polizei und den Soldaten, ob der "anstehende gesellschaftliche Wandel" friedlich oder gewaltsam verlaufe. Fritsch deutet nun subtil eine Aufforderung zum Putsch an: "Nur wir, die vollziehende Gewalt, können dem Verfassungsauftrag gerecht werden und die Macht wieder in die Hände des Volkes zurückgeben."

Abschließend stellt der seit fast 25 Minuten frei und ungestört redende Polizist fest, dass wir derzeit in einer parlamentarischen Demokratie leben. Er bezeichne aber eine Staatsform, in der niemand eine persönliche Meinung äußern könne als Diktatur. Was genau er damit meint, lässt er offen. Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes haben wir Fritsch aus akustischen falsch zitiert. Er nutzt das Wort "Remonstration" und nicht "Demonstration". Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen.

Rubriklistenbild: © Daniele Giustolisi/RUHR24