Dortmunder Bestatter in Erdbeben-Gebiet: „Es roch stark nach Verwesung“
Die Erdbeben in der Türkei und Syrien haben tausende Menschenleben gefordert. Ein Bestatter aus Dortmund war mit Kollegen vor Ort, um den Toten „ihre Namen zurückzugeben“.
Dortmund – Es ist der 6. Februar 2023. Die meisten Menschen schlafen, als in der Türkei und Syrien die Erde mit einer Stärke von bis zu 7,8 anfängt zu beben. Mehr als 54.000 Menschen sterben in den Trümmern. Carsten Strauß, Bestatter aus Dortmund, half schließlich dabei, einen Teil der Verstorbenen zu bergen. Gegenüber RUHR24 berichtet er von seinen Erlebnissen.
Bestatter aus Dortmund reist nach Erdbeben-Katastrophe in die Türkei: „So viele tote Kinder“
„Unterwegs kamen mir schon Fragen wie: Kann ich das? Und letztendlich habe ich auch so viele verstorbene Kinder gesehen, dass es mir erstmal reicht. Ich bin selbst Familienvater“, gibt Strauß zu. Ganz schön heftig. Doch wie kam es überhaupt dazu, dass Carsten Strauß in die Türkei gereist ist, um vor Ort bei der Versorgung der Verstorbenen zu helfen? Der Bestatter aus Dortmund ist Mitglied im sogenannten Deathcare-Embalmingteam.
Die ehrenamtliche Organisation kümmert sich nach großen humanitäre Katastrophe um die Verstorbenen vor Ort. „Der letzte Einsatz war bei dem großen Tsunami 2004 in Thailand“, erklärt Carsten Strauß. Für ihn war es also der erste Einsatz, obwohl er seit 2010 Mitglied ist. Auch das macht die Ausmaße der Erdbeben in der Türkei und Syrien nochmal deutlich.
Der Verein ist offensiv auf die türkischen Behörden zugegangen und hat Hilfe angeboten, wie Strauß erklärt. Die wurde auch dankend angenommen. Doch so einfach ging es dann doch nicht. Das Geld für den ehrenamtlichen Einsatz musste zunächst durch Spenden zusammenkommen. Die Fluggesellschaft Turkish Airlines hat zum Beispiel die Flüge bezahlt.
Bestatter aus Dortmund hilft in der Türkei: „Flughafen war einsturzgefährdet“
Am 10. Februar ging es dann los, etwa vier Tage nach dem Unglück. Erst in der Türkei bekamen die Bestatter ihren Einsatzort genannt – die Provinz Kahramanmaras. Am Flughafen gelandet, wurde das Ausmaß schnell klar: „Der Flughafen war einsturzgefährdet. Wir mussten unsere Gerätschaften selbst entladen“. Zwei Tonnen Material und Gepäck.
In einer Polizeistation treffen die Bestatter den türkischen Innenminister und bekommen einen ersten Blick auf die Lage. Eigentlich schon genug Impressionen für einen Tag, doch natürlich geht es jetzt nicht so einfach in ein Hotel. Wie auch, wenn quasi kein Stein mehr auf dem anderen steht (mehr Dortmund-News bei RUHR24).

„Die erste Nacht haben wir in einem Linienbus geschlafen, bei Minusgraden. Der Fahrer hat erfahren, dass ein Familienmitglied verstorben ist und hat uns quasi stehen lassen. Die Koordinatorin für unsere Unterkunft war nicht zu erreichen“, sagt Strauß. Nach nur zwei Stunden Schlaf ging es zunächst zu einem großen Friedhof, wo die Bestatter fragen sollten, ob sie helfen können.
Dortmunder Bestatter in der Türkei: „Es roch stark nach Verwesung“
Hier wurden 300 bis 500 Leichen täglich beigesetzt. „Es roch stark nach Verwesung“, sagt Strauß mit starrem Blick. Doch ihr Einsatzort sollte schließlich eine Turnhalle werden. Hierher kamen die Leichen für eine Reinigung und zur Identifikation. Schließlich weiteten die Bestatter ihren Wirkungskreis aus und halfen direkt bei der Bergung in den Trümmern. Dank seiner Erfahrungen bei der Feuerwehr packte auch Strauß mit an.

„Eine Nacht wird mir wohl nicht aus dem Kopf gehen. Wir haben fünf Verstorbene geborgen. Unter ihnen auch Kinder. Die Eltern hatten sich noch schützend über sie gebeugt“. Doch auch Happy Ends hat Strauß mitbekommen: „Wir selbst haben nur Leichen geborgen, doch ein paar Häuser weiter kam es dann auch zu Rettungen. Dann wurde gepfiffen und alle waren leise, die Maschinen stoppten. Und dann wurde immer wieder auf Türkisch gerufen, dass derjenige sich bewegen oder äußern soll.“
„Deathcare Embalming“-Mitglied aus Dortmund hilft nach dem Erdbeben: „Aus Kollegen wurden Freunde“
Neben den teils schrecklichen Bildern nimmt Strauß aber auch einige positive Emotionen mit: „Aus 16 Kollegen sind Freunde geworden. In der Türkei und auch später in Deutschland haben wir eine starke Dankbarkeit zu spüren bekommen. Ein kleiner Junge in der Türkei wollte sogar seinen Schokoriegel mit mir teilen“.
Die Bestatter selbst wollten vor allem den Verstorbenen ihre Namen und ihre Würde zurückgeben, wie Strauß erklärt. Von den deutschen Behörden allerdings sei wenig Wertschätzung gekommen.

Was für den Bestatter aus Dortmund jedoch mehr zu zählen scheint, sind die Menschen, die Dankbarkeit zeigen und die Helfer in ihre Moscheen einladen. „Der Glaube gibt ihnen unglaublichen Mut und das, obwohl sie alles verloren haben. Man stelle sich einfach mal vor: Alles ist weg. Das ganze Leben und man hat nur noch, was man am Körper trägt“. Dazu scheint eine unglaubliche Dankbarkeit zu gehören, die auch in den Trümmern nicht verloren ging.