Sitzbank sorgt für Aufsehen
„Guerilla-Aktion“ nach Ärger um Anti-Obdachlosen-Bank in Dortmund
Eine Sitzbank im Dortmunder Kreuzviertel erhitzt schon lange die Gemüter. Nach heftiger Kritik haben Unbekannte die Sache selbst in die Hand genommen.
NRW – Eigentlich hatte alles ganz harmlos begonnen. Im Dortmunder Kreuzviertel wurden im Rahmen des Programms „Jeder Straße eine Bank“ vielerorts Sitzbänke platziert. Was erschöpfte Passanten zum Verweilen anregen sollte, stieß in einem konkreten Fall allerdings auf deftige Kritik einer Anwohnerin. Nun hat sich das Problem scheinbar von selbst erledigt – eine Sitzbank-„Guerilla“ hat die Sache selbst in die Hand genommen.
Stadt | Dortmund |
Land | Nordrhein-Westfalen |
Einwohner | 586.852 (2021) |
Anwohnerin beschwert sich schon lange über die Sitzbank im Dortmunder Kreuzviertel
Nicht überall hatten die neu aufgestellten Sitzbänke für Begeisterung gesorgt. An der Ecke Sonnenstraße und Poppelsdorfer Straße im Dortmunder Kreuzviertel, vor einer mit Graffiti verzierten Mauer, gab es offenbar Ärger. Eine Anwohnerin hatte sich bereits im Frühjahr 2022 an die Stadt Dortmund mit der Bitte gewandt, die Bank wieder zu entfernen. Das geht aus dem Antrag an die Stadtverwaltung hervor, der RUHR24 vorliegt.
Schließlich sei die Bank „in den kalten Wintermonaten als Standort eines Obdachlosen benutzt“ worden. Das sei zwar nachvollziehbar, da „auch diese Menschen einen Platz finden“ müssten. Allerdings soll es infolgedessen zu einer „Vermüllung rund um die Bank“, erklärt die Anwohnerin.
Sitzbank soll Treffpunkt von Obdachlosen und Jugendlichen sein – Resultat: Vermüllung
Anwohner hätten „immer wieder Müll, kaputte Flaschen und Drogen Nadeln aufsammeln“ müssen. Ebenso soll der Obdachlose an die Haustür und das Garagen Rolltor der Leidtragenden uriniert haben. Nicht nur Alkoholkranke, sondern auch Jugendliche hätten zur Vermüllung beigetragen – „und das zu jedem Wochentag und nicht nur am WE“, heißt es in dem Antrag.
Dadurch sei es zu „Auseinandersetzung mit Anwohnern und den Nutzern der Bank“ gekommen, die sogar Polizei-Einsätze nach sich gezogen haben sollen. Auf RUHR24-Anfrage bestätigte die Polizei Dortmund, dass es im Oktober 2022 in der Nähe der betroffenen Bank bisher schon zu drei Einsätzen infolge von Pöbeleien gekommen sei.
Daraufhin wurden Platzverweise erteilt. In einem Fall wurden die Beamtinnen und Beamten sogar zweimal gerufen. In den vorangegangenen Monaten war es immer mal wieder vereinzelt zu Vorfällen gekommen, der Polizei sei dahingehend aber keine größere Problematik bekannt.
Stadt Dortmund verpasst umstrittener Sitzbank Mittel-Armlehnen – Schlafplatz entfällt
Auch bei anderen Bänken im Kreuzviertel sei die Situation laut Antrag vergleichbar. Die Antwort der Stadt fiel zwar nicht so rigoros aus, wie es sich die Anwohnerin gewünscht hatte, doch sie sorgte mindestens genauso für Aufsehen.
Denn kürzlich tauschte die Stadt Dortmund die umstrittene Sitzgelegenheit gegen ein deutlich weniger einladendes Modell aus. Die neue Bank umfasste Mittel-Armlehnen, sodass sich niemand mehr horizontal auf ihr gemütlich machen konnte.
Kritik an „Anti-Obdachlosen-Bank“ durch Initiative „Jeder Straße ihre Bank“
Prompt hagelte es Kritik an der neuen „Seniorenbank“, deren Armlehnen das Aufstehen offiziell erleichtern sollen. Offenkundig handele es sich um eine „Anti-Obdachlosen-Bank“, auf der Schlafplatz-Bedürftige keine Ruhe mehr finden können und sollten, so die Kritikerinnen und Kritiker.
Wie die Ruhr Nachrichten berichten, nannten die Initiatoren des Projekts „Jeder Straße ihre Bank“ die neue Bank „menschenverachtend“. Die Initiative soll demnach sogar Demonstrationen gegen die Bank angekündigt haben.
Umgang der Stadt Dortmund mit Obdachlosen sorgt für Kritik – Sicherheitsdienst umstritten
Der Umgang mit Obdachlosen in Dortmund ist generell ein höchst umstrittenes Thema. Dass ein Sicherheitsdienst die vielerorts unerwünschten Personen aus der Szenerie der Innenstadt vertreiben soll, um das Einkaufserlebnis zu verbessern, stieß auf heftige Kritik. So vor allem durch die Autoren der Obdachlosen-Zeitschrift „Bodo“. Der Cityring Dortmund beteuerte, den Obdachlosen nur helfen zu wollen und jedem Bedürftigen zu einer Übernachtungsstelle zu verhelfen.
Friedrich Fuß, Bezirksbürgermeister der Innenstadt-West, erklärt gegenüber WAZ, dass es sich beim Aufstellen der neuen Bank mit den Mittel-Armlehnen im Nachhinein um einen schlechten Kompromiss gehandelt habe. Die Bank wurde zwar nicht entfernt, für Obdachlose allerdings deutlich weniger einladend gestaltet. Man habe sich „in einer Dilemma-Situation“ befunden, so Fuß weiter.
Dortmunder Bezirksbürgermeister hält Sitzbank mit Mittel-Armlehnen für schlechten Kompromiss
Generell sei die Wahl der Lokalität für die Bank aus seiner Sicht schwierig gewesen. An diesem „Un-Ort“, der tatsächlich alles andere als ein pittoresk anmutender Platz für eine wohlverdiente Pause ist, habe man sich durch die Bank womöglich „einen neuen problematischen Ort geschaffen“, so der Bezirksbürgermeister gegenüber WAZ.
Nun haben Kritiker der Mittellehnen das Schicksal der Bank in ihre eigenen Hände genommen. Wie die Ruhr Nachrichten berichten, waren sie am Morgen des 29. September abmontiert worden. Jemand habe anscheinend die vier Schrauben, mit denen die Lehnen an der Bank befestigt waren, sauber entfernt. Auf Nachfrage erklärte die Stadt Dortmund der Zeitung, dass sie diese Maßnahme nicht angeordnet habe.
Sitzbank-„Guerilla“ entfernt Mittel-Armlehnen von Dortmunder Sitzbank
Gegenüber den Ruhr Nachrichten spricht Bezirksbürgermeister Fuß von einer „Guerilla-Aktion“. Es handele sich demnach um Sachbeschädigung. „Da hat jemand das Problem selbst gelöst“, so Fuß weiter.
Die Sitzbank-„Guerilla“ hat also in einer Nacht-und-Nebel-Aktion zugeschlagen. Es bleibt abzuwarten, ob konterrevolutionäre Kräfte bereits neue Mittel-Armlehnen gezückt und einen Gegenschlag vorbereitet haben.
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